Mittwoch, 29. Mai 2013

Bangladesch - Land & Leute

Hier einmal ein paar Eindrücke aus verschiedenen Alltags-Erlebnissen, so gut es geht geordnet.

Leben im Slum
Wir leben hier in einer verhältnismässig wirklich schönen Wohnung – selbst für westliche Verhältnisse nicht schlecht! Wenn wir da wieder bei den Slums draussen an den Gleisen sind und ich sehe, dass ganze Familien in einer Hütte auf 4-5 Quadratmetern „wohnen“…wer Glück hat, konnte seine Hütte an die Betonmauer der gegenüber liegenden Strasse bauen. Alle anderen brauchen ein paar Bambusstangen, Plastikblachen, Blech, Tücher und Stricke mehr, um alle 4 Wände und das Dach einigermassen witterungsstabil zu konstruieren. Die Hütten sind niedrig, ich kann kaum darin aufrecht stehen. In einer Ecke (manchmal auch zwei Ecken ausfüllend) liegt quasi auf einem Tisch von ca. 1.5m Breite und 2m Länge ein dickes Stoff-Tuch, das als Matratze dient. Hier schlafen alle Familienmitglieder. Tagsüber wird hier drauf auch gegessen, insbesondere wenn es draussen regnet. Neben dem „Bett“ ist nicht mehr viel Platz. Manchmal steht da ein kleiner „Schrank“ – der Platz wird bei Regen aber auch als Küche benutzt. Dann wird das Feuer einfach in der Hütte drin gemacht, was ja nicht ungefährlich ist. Unter dem Bett kann man nur Dinge verstauen, die wasserdicht sind…der Regen dringt meist ungehindert in die Hütten rein. Manchmal ist der Schlafplatz aber direkt auf dem Boden – dann müssen Vorkehrungen getroffen werden, dass der Regen nicht ungehindert hinein dringen kann. Diese Hütten dienen also v.a. als Schlafraum und Wetterschutz. Ansonsten spielt sich das Leben mehrheitlich draussen ab – in Khilgoan und Gandaria auf den Gleisen, denn es gibt keinen anderen Ort zum Spielen und Leben... Dass der Zug alle 20-30min vorbei rattert – und dabei auch unsere Sprechstunde vor lauter Lärm zum Schweigen bringt – ist einfach so. Wie soll man da schlafen oder sich auch nur ausruhen können, wenn das Bett nur 1m neben dem Gleis steht? Die Züge gehören wirklich nicht zu den modernsten ihrer Art und erzeugen einen erheblichen Lärm, weshalb sie manchmal wohl auch etwas (zu) spät hupen. Diese Woche sahen wir einen Säugling, der wohl die Finger noch auf den Gleisen hatte als der Zug kam…auch im Krankenhaus konnten sie da nicht mehr viel machen; aber wir führen die Verbandswechsel künftig „gratis“ durch – immerhin ein kleiner Beitrag an eine tragische Geschichte. Toiletten gibt es in Form von Latrinen irgendwo zwischen den Hütten, in Khilgoan wurde wohl direkt ein Strassenschacht von der unmittelbar daneben liegenden Strasse angezapft, was mit einer deutlich geringeren Duftemission einhergeht. Nicht immer hat man da ein Dach über dem Kopf, aber wenigstens 4 „schützende“ Wände. Die kleinen Kinder scheuen sich aber nicht, ihre Exkremente direkt auf bzw. zwischen die Gleise zu setzen. In Korail wo wir mit dem „Boot“ (einem schlechten Einbaum) über den Fluss auf die Halbinsel rüber gerudert werden, fliesst direkt an der „Anlagestelle“ die Abwasserleitung in den Fluss, was einen netten Willkommensduft verstreut… Die übrigen Abfälle werden in den Slums wo alle eng aufeinander wohnen eigentlich besser entsorgt als sonst wo in der Stadt – hier würde der Müll das Leben komplett verunmöglichen! Praktisch in jeder Strasse stehen aber Müll-Mulden. Der säuerliche Duft dieser Mulden verfolgt mich manchmal bis nach Hause…und wenn ich dann vom Balkon oder der Terrasse runter schaue und den Müll von den Wohnungen hinter unserem Gebäude sehe, brennt es wieder stärker in der Nase… Ziegen und teilweise auch Kühe werden nicht selten direkt an einem Pfahl in einer solchen „Mülldeponie“ auf der Wiese angebunden, damit sie dort „grasen“ können… Raben, andere Vögel, Katzen und streunende Hunde, aber auch Leute aus den alleruntersten Sozialschichten trifft man nicht selten in diesen Haufen aus einem Mix von Kompost und Sondermüll an… Bon appétit!
Während meiner Arbeit hier sehe ich nicht selten solche Leute. Immer wieder bin ich erstaunt und bestürzt, dass eine 22-jährige, mehrfache Mutter auf Betteln angewiesen ist, weil ihr Ehemann sie verlassen hat und sie nun irgendwie die zwei oder drei Kinder über die Runde bringen muss… nicht selten werden die Kinder genau dieser Mütter bis zum Alter von 2 Jahren (oder auch darüber) voll gestillt. Natürlich nehmen diese Kinder ungenügend zu, da die Muttermilch rein kalorientechnisch nicht ausreicht und sind völlig mangelernährt, aber stillen ist billiger als andere Nahrung. Für diese Fälle finde ich unser „Food-Package“-Angebot (1kg Reis und 250g Dhal) wirklich lobenswert! Natürlich verabreiche ich da gleich auch Multivitamine und Eisen, denn Fleisch oder andere eisenhaltige Produkte vermag hier niemand. Entsprechend blasse Augen-Bindehäute sehen wir hier täglich – aufgrund der dunklen Hautfarbe sieht man den Leuten die Blutarmut nämlich kaum an. Multivitaminpräparate wirken hier aber auch deutlich besser – Placebo oder wahrer Effekt sei dahin gestellt; Hauptsache es wirkt! Und mangelernährt sind sie praktisch alle – ansonsten sind sie in diesem Projekt eigentlich fehl am Platz… immer wieder staune ich, dass ich bisher erst 3 Patienten hatte, die schwerer waren als ich! Im Durchschnitt sind die 20-25kg leichter – es soll mir also nie mehr jemand sagen, ich solle/müsse mehr essen ;-)
Trotz dieser doch sehr offensichtlichen Armut sind wir immer wieder erstaunt, dass eines doch nie fehlt: das HANDY! Genau. Praktisch jeder noch so arme Kerl besitzt hier ein Handy. Aber für 15-20 Franken kriegt man bereits ein Handy inkl. Nummer – der Nutzen des Handys überwiegt da die Kosten natürlich bei Weitem, womit sich das Erstaunen über den Handy-Besitz wieder etwas relativiert… Weiter stellt sich die Frage, wie ein „Slum“ zu definieren ist. Hier ist Armut und weniger-Armut so nah beisammen. Auch hier in der Manda-Road, was ja eigentlich eine sehr geschäftige und nicht unbedingt arme Strasse zu sein scheint, gibt es etliche Hütten hinter all den Gebäuden an der Strasse vorne. Nur schon wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich etliche Wellblech-Dächer unter mir und nach dem Regen frage ich mich immer wieder, wie trocken es wohl noch in diesen Hütten ist… Die „Slums“ hier sind oft nicht einfach in einer einzigen Region angesiedelt. Nein, sie sind mitten ins Alltagsleben „gestreut“. In Khilgoan und Gandaria zwar schön entlang der Zugschienen, aber auch hier in der Nähe gibt es eine „Zelt-Reihe“ an der Strasse entlang… Viele dieser Leute leben wirklich unter ärmsten Bedingungen und sparen sich dann quasi ihr Geld für einen kleinen Luxus wie ein Handy oder „Ferien“ auf dem Land bei Verwandten.
Für viele Kinder drucken wir jeweils die geknipsten Fotos aus und übergeben sie ihnen eine Woche später – da haben jeweils auch die Mütter schier Tränen in den Augen. Es gibt also durchaus sehr schöne und dankbare Momente in diesen Slums.

Politik
Hierüber möchte ich eigentlich nicht allzu viele Worte verschwenden, denn ich verstehe absolut nicht, was hier abgeht. Nur so viel: die aktuelle Prime Ministerin ist die Tochter des Staatshelden, der das Land in den 70er Jahren befreit hat. Die Oppositionsführerin ist die Witwe eines ehemaligen Staatsoberhauptes. Es werden also eigentlich mehrheitlich familiäre Streits in der Öffentlichkeit ausgetragen und als „Politik“ verkauft. Wie es scheint, haben beide von Politik wenig Ahnung. Die Opposition, die BNP (eine ziemlich fundamental-islamische Partei), ruft immer wieder zu Streiks auf, welche die Wirtschaft hier jeweils noch ganz zum Erliegen bringt. Wirklich viel Sinn macht das Ganze nicht und die Wahlen sind ja erst im Januar…schon fast amerikanische Verhältnisse…und von Demokratie spürt man hier auch wenig… ich frage mich da immer, wie man demokratische Wahlen durchführen will, wenn man nicht vorher sicher gestellt hat, dass auch die Mehrheit überhaupt lesen und schreiben kann… aber da gehen die Meinungen wohl auseinander.

Geld
Bereits am Flughafen wird klar: hier muss man Geld WECHSELN. Keiner der dortigen Bankomaten gibt Ausländern Geld – Danke für die Sicherheit liebe Schweizer Banken. Ich habe hier etwa 6 Bankomaten ausprobiert. Lustig auch, dass nicht jede Karte an jedem Bankomaten akzeptiert wird… aber auch hier zeigt sich, wie „verwöhnt“ wir sind. Einmal wollte ich Geld abheben, da war grad Stromausfall...tja, da gibt’s halt kein Geld! Interessant auch, dass viele Bankomaten nur 500er und 1000er Noten ausspucken (= 5 bzw. 10€), aber NIEMAND, aber auch wirklich niemand will diese grossen Noten! Schon unvorstellbar, dass man nicht einmal mit einer 5€-Note bezahlen kann, selbst wenn es 400 kostet…die wissen genau, dass sie ihren grossen 500er-Schein auch wieder kaum weg bringen. Die kleinen Noten fühlen sich dann auch an wie Monopoly-Spielgeld und sind auch nur unwesentlich grösser (wobei ich schon lange kein Monopoly mehr gespielt habe...vielleicht täusche ich mich auch). Die kleinste Note ist ein 2-Taka-Schein (=0.02€). Dann gibt es noch Münzen. Die kleinste mir bekannte ist die 1-Taka-Münze. Wahrscheinlich gibt es noch halbe und viertel Takas, aber wir Touristen brauchen so kleines Geld ja eh nie…
An manchen Arbeitsorten (Gandaria und Korail z.B.) spendieren wir jeweils ein paar Taka, damit entweder ein kleiner Imbiss (diese gefüllten Teigtaschen) oder eine grosse Kanne Tee gebracht wird – 50 Rappen reichen hier wirklich weit und das ganze Team ist zufrieden ;-)

Verkehr
Rikschas dominieren den Verkehr Bangladeschs. Autos sieht man wenige, wobei eine deutliche Zunahme verzeichnet werden kann, je näher man sich dem „Reichenviertel“ nähert und im Gegenzug finden sich dort kaum mehr Rikschas. Dort nimmt übrigens auch die Anzahl der Bettler deutlich zu und sie sind wohl noch etwas penetranter bei Ausländern… Die Strassenverhältnisse sind miserabel. Eine asphaltierte Strasse ist zwar vielerorts vorhanden, jedoch mit grösseren oder kleineren Schlaglöchern, die ein Ausweichen auf die oftmals nicht geteerte andere Spur notwendig machen. Im ungeteerten Dreck kann insbesondere nach Regen das Vorwärtskommen mühsam werden. Hier herrscht noch Linksverkehr – wie Kricket noch ein „Überbleibsel“ aus alten, englischen Zeiten… Grundsätzlich fährt daher das schwächste Gefährt jeweils links neben den Fussgängern. Also zuerst Rikschas, dann die CNG-Taxis (Erdgas-Taxis), dann Motorräder, Autos und Busse. Letztere müssen aber immer wieder links ran fahren um Leute ein- und aussteigen zu lassen. Hier muss man aber einfach frech fahren. Sogar ein pedalender Rikscha-Fahrer kann einen grossen Bus ausbremsen, wenn er frech und mutig genug ist! Wir fahren ja täglich mit unserem Mini-Van in die Slums. Unser Fahrer ist entsprechend „geübt“ J er macht seinen Job als Vortritt-Erzwinger wirklich gut. Kürzlich war aber die Hupe kaputt – da war das Vorwärtskommen gefühlt nur halb so rasch…in Wirklichkeit bringt die Huperei wahrscheinlich überhaupt nichts, ausser viel Lärm. Aber jeder hupt und eine Autohupe hinter einer Rikscha führt irgendwie doch dazu, dass der Rikscha-Fahrer „Angst“ um sein Velo kriegt und daher Platz macht… für Motorräder herrscht übrigens Helmpflicht – aber Helme sind störend auf dem Kopf, drum trägt sie kaum jemand, auch die Polizisten nicht immer… auch gibt es Ampeln, die irgendwie aber zu häufig auf Rot stehen, weshalb ihnen auch nur wenig Beachtung geschenkt wird – mit einem grossen Auto kann man sich den Vortritt auch erzwingen! Mit den lokalen Bussen sind wir noch nie gefahren – was aber auch nicht zum „Muss“ gehört. Die Busse sind immer so überfüllt und mit diesen Klapperkisten ist man bestimmt nicht schneller, als mit einem CNG-Taxi, welches auch noch umweltfreundlicher ist als diese uralten Diesel-Schleudern.
Bangladesch verfügt über relativ viel Erdgas, das vom Staat auch relativ billig abgegeben wird, weshalb viele Autos einen dualen Antrieb besitzen, normalerweise aber mit Gas fahren.

Zug
Wir sehen beinahe täglich die Zugsdurchfahrten in den Slums von Khilgoan und Gandaria. Viele Leute sitzen auf dem Dach oder stehen aussen an der Lok und halten sich irgendwo fest. Ok, die Züge fahren im Stadtgebiet nicht sonderlich schnell, aber trotzdem… Es sind übrigens Diesel-Loks, so dass keine Starkstromleitung über ihren Köpfen durchführt! Wenn man ein Zugticket kauft, kriegt man einen zugewiesenen Sitzplatz – solange es noch hat. Danach werden Tickets verkauft, bis keiner mehr eines will…Platz muss man sich selber machen. Eben auf dem Dach oder im Gang, WC oder irgendwo… Wir fuhren mit dem Nachtzug nach Khulna im Südwesten. Ein wirklich EINMALIGES Erlebnis, das wir auch kein zweites Mal erleben wollen. Der Zug war gestossen voll und an jedem Bahnhof wollten noch mehr Leute einsteigen. Wir waren wirklich froh, einen fixen Sitzplatz zu haben. Die Ventilatoren an der Decke bliesen uns die ganze Nacht diese warme, stickig-stinkige Luft ins Gesicht. Die zwei kleinen Fenster am Rande führten nur zu einer unwesentlichen Verbesserung der Luftqualität. Mit der Zeit verliessen aber immer mehr Leute den Zug, so dass alles ruhiger und angenehmer wurde… auf bei der Rückfahrt (bis zum Flughafen in Jessore) nahmen wir den Zug. Muss wohl 3. Klasse gewesen sein. Aber tagsüber weniger voll und daher gar nicht so schlimm ;-) einfach ziemlich laut und diese wackeligen Ventilatoren an der Decke, wo man nie so genau weiss, ob die gleich runter fallen oder nicht. Über Land fährt der Zug auch nicht sehr schnell. Die Gleise betrachtend ist dies wohl auch sinnvoller – entweder sind sie durch die Wärme so verzogen oder sie waren noch gar nie völlig gerade… Zugfahren ist aber sicher und eindeutig ein Erlebnis! Auch lernt man ganz einfach Leute kennen (eigentlich überall, wo man der einzige Weisse ist…). Und die Leute sind wirklich alle sehr hilfsbereit!

Die Sprache bzw. die Schrift hier bringt es ja mit sich, dass ich nicht einmal die Zahlen lesen kann! Bis wir nur das richtige Gleis gefunden hatten…5! Ja, aber welches dieser Zeichen ist die Nummer fünf?! Oder den richtigen Sitzplatz im entsprechenden Wagen zu finden… hier sind diese wirklich überaus hilfsbereiten und liebenswerten Menschen einfach Gold wert!

Sprache
Die Sprache hier ist ja komplett anders. Ähnlich wie die meisten asiatischen Sprachen und Schriftzeichen, kann man hier als Durchschnittseuropäer einfach nichts lesen. Die „Hieroglyphen“ ähneln jenen der thailändischen Schrift (das kennen wohl die meisten – wenigstens vom Sehen). Die Sprache selbst ist eher rau. Auch scheint sie eher einfach zu sein und nicht sehr differenziert zu sein. Dies macht es wohl gerade im ärztlichen Alltag nicht immer einfach, genau herauszufinden, wo was genau weh tut oder nicht gut ist. Es scheint nicht so genaue Bezeichnungen zu geben und die Übersetzung macht’s ja nicht einfacher… auch spannend ist, dass es hier irgendwie nicht „Gang und Gäbe“ ist, sich richtig zu begrüssen oder zu verabschieden. Die Leute stehen einfach auf und gehen ohne etwas zu sagen. Kein „Tschüss“ oder „Danke“, einfach weg. Das hatte mich am Anfang ziemlich verunsichert, weil ich nie wusste – ja eigentlich immer noch nicht richtig weiss – ob die Leute zufrieden waren mit dem, was wir besprochen und verschrieben hatten oder nicht. Dabei sind sie soooo froh, helfen wir ihnen, aber sie kennen die Möglichkeit des „Sich-Ausdrückens“ einfach nicht. Und zugegeben, wir sehen mehrheitlich weibliche Patientinnen. Diese haben ja sowieso nicht viel zu sagen und sind sich daher wohl auch nicht gewohnt, etwas zu sagen…

Strom
Stromausfälle gehören zum Alltag. Die Regierung hat es aber geschafft, auch die ländlichen Gebiete mit Strom zu versorgen. Der grösste Teil des Stroms stamme aus Wasserkraft. Viele Flüsse fliessen ja hier in den indisch-bengalischen Golf. Weiter stehen anscheinend ein paar AKWs im Lande – kürzlich war hierüber ein sehr kritischer Artikel in „The Daily Star“, der englischen Tageszeitung hier. Staatlicher Solarstrom gibt es nicht und in der Stadt selber habe ich noch nirgendwo Solarpanels gesehen. An der Küste gäbe es aber Gezeitenkraftwerke. Ob der Zyklon „Mahasen“ wenigstens zu einer erhöhten Stromproduktion geführt hat?

Wasser
Gemäss Vater Timm, der 1952 hierher kam, konnte man damals das Hahnenwasser trinken und es sei damals unvorstellbar gewesen, dass sich dies je einmal änder könnte/würde. Das Leitungswasser stammt weiterhin aus dem Buriganga-Fluss…diesem schwarzen Gewässer, das durch die Stadt fliesst. Rein optisch erscheint es sauber und zum Zähneputzen geht das auch problemlos, aber trinken soll man es natürlich nicht. Viele Einheimische haben aber keine andere Wahl…wahrscheinlich bringt auch das Abkochen des Wassers nur einen kleinen Effekt. Es müssen etliche Schadstoffe da drin sein, die auch durch Abkochen nicht zerstört werden. Ein Liter Trinkwasser kostet ca. 25 Rappen.
Kürzlich hatte ich doch wirklich einige Patienten, die über Verstopfung klagten! Da mussten mein Übersetzer und ich ein wenig schmunzeln…normalerweise klagen die Patienten über das gegenteilige Symptom. Ich hab dann als Scherz erwähnt, sie sollen doch einfach einmal nicht abgekochtes Wasser trinken…

Kleidung
Männer wie Frauen tragen hier mehrheitlich einen „Sari“, ein Tuch um den Körper. Männer häufig ein T-Shirt und unten rum das Tuch. Darunter übrigens keine Unterwäsche – jaja…die Arbeit als Arzt lässt einen dies erfahren. Jetzt weiss ich aber auch, was all die Männer „sitzend“ am Strassenrand machen: Pinkeln! Das geht wirklich ganz einfach so. Tuch hoch, in die Knie und los geht’s – „tschäddere loh“! Immer mehr Männer tragen aber auch eine Hose – westlicher Einfluss halt. Warum ausgerechnet die meisten Rikscha-Fahrer KEINE Hose tragen ist mir nicht klar – so ein Tuch um die Beine behindert ja eigentlich beträchtlich beim Velofahren…aber es ist wohl billiger und dieses neue Zeugs muss ja nicht jeder haben.
Frauen tragen mehrere Tücher um ihren Körper. Meist eines unten rum. Was da drunter getragen wird, weiss ich nicht – dies ist auch für einen (Allgemein-/Haus-)Arzt hier eine absolute Tabu-Zone (was gewisse Therapie-Entscheidungen manchmal recht schwierig macht). Junge Mädchen tragen meist einen BH, jene mit/nach Kindern meist nur noch ein T-Shirt/Top, wenn überhaupt. Ansonsten kann man ja auch einfach ein Tuch um die Brust wickeln damit nicht alles wackelt. Und dann noch ein dünneres Tuch über den Kopf bzw. das Dekolleté.
Auch würde man denken, hier kriegt man all die Kleider, die man bei uns mit „Made in Bangladesh“ kaufen kann! Weit gefehlt! Richtige Kleiderläden gibt es hier kaum!! Ja, richtig gehört. Selbst in Gulshan, dem Reichen- und Diplomatenviertel, muss man also wissen, wo es diese Läden gibt! Aber Stoff kann man an jeder Ecke in grossen Mengen kaufen – auch steht an jeder 2. Strassenecke eine Näherin mit ihrer Nähmaschine… grosse Kleiderfabriken habe ich bisher erst eine gesehen. Die ist hier am Ende der Manda-Strasse. Eine Englische Textilfabrik. Aber Einlass zu kriegen, scheint aktuell unmöglich zu sein, zu gross ist momentan der Druck vom Ausland.

Über das Leben in und an der Manda-Road werde ich vielleicht ein andermal etwas mehr erzählen. Nur so viel: hier gibt es ALLES! Vom Glühbirnen-Reparierer über den Blumenverkäufer, den Schweisser, unzählige Apotheken und Kleinläden mit „von allem ein bisschen“, Gemüse- und Fischmärkten, einigen Moscheen, Strassenrestaurants, Handyläden und Textilverkäufer bis zu eben dieser grossen Textilfabrik am Ende der Strasse. Auf der Strasse herrscht daher auch immer ein reges Treiben, was irgendwie noch lustig ist zu beobachten – mit unserem Kleinbus da drin im Stau zu stecken ist wesentlich unangenehmer…

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