Mittwoch, 19. Juni 2013

Dhaka – Abschied

Bereits sind meine letzten Stunden hier in Dhaka angebrochen. Die Zeit verging einmal mehr sehr schnell.
Täglich sahen wir wiederum leidende Patienten… sei es die 14-jährige Schülerin, die von ihrem Cousin geschwängert wurde, was natürlich niemand erfahren darf, sofern nicht bald irgendwie eine Hochzeit arrangiert werden kann. Oder der 38-jährige Rikscha-Fahrer, der gerade noch 31kg wog, nur noch Haut und Knochen war und wahrscheinlich an einem Tumor im Bauch leidet und sich einen Aufenthalt im Krankenhaus nicht leisten kann.
Die medizinische Versorgung vor Ort lässt wirklich zu wünschen übrig. Die Ärzte hier in den Krankenhäusern sind so korrupt, dass sie selbst den ärmsten Patienten ein Honorar aufbrummen, welches diese nicht bezahlen können und in der Folge natürlich nie mehr dahin gehen – egal wie krank sie sind. Die „Pharmacy-doctors“ verschreiben nur Medikamente, die ihnen einfach viel Geld einbringen und dem Patienten eher schaden als nützen… Auch werden praktisch immer sinnlose Untersuchungen angeordnet, die sich die Leute dann oft aber auch gar nicht leisten können – zum Glück manchmal...
Der kleine, knapp 2-jährige Armon auf unserer Feeding-Station nahm auch nicht richtig zu. 8kg in diesem Alter sind wirklich nicht genug. In den letzten Tagen hat er nun aber das Gehen erlernt. Eigentlich dachten wir, er hätte eine Tuberkulose, da sein Grossvater auch daran litt und er die ersten Monate mit ihm verbrachte. Im Tuberkulose-Krankenhaus wurde der Befund aber als negativ abgegeben. Ausser einer schweren Blutarmut scheint er also gesund zu sein. Wer so unterernährt ist, dem fehlen natürlich alle möglichen Bausteine, um genügend rote Blutkörperchen herzustellen. Natürlich fanden sich im Blut daher weitere abnorme Werte. Krankenhaus und Labor wollten da weitere sinnlose aber kostenintensive Abklärungen durchführen, was ich blockieren musste. Es geht ihm ja schon sooo viel besser! Dies ist irgendwie symptomatisch für dieses Land. Jeder macht mal irgendwo etwas und keiner koordiniert bzw. hat den Überblick.

Diese Woche gingen wir abends mit unserem Übersetzer die Manda-Strasse auf und ab. Am östlichen Ende wo die Kleiderfabrik steht, hielt ich an und wollte mal einen Blick erspähen. Wir wurden dann zum Direktor gebracht und konnten mit ihm sprechen. Er versprach uns eine Führung in den nächsten Tagen! Diese erhielten wir dann zwei Tage später und auch wenn er es nicht sonderlich gern hatte, durften wir Fotos machen :-) Die Verhältnisse bei „EthicalGarments Ltdsind wahrscheinlich noch relativ gut für bengalische Verhältnisse. Jedenfalls gibt es Tageslicht, es ist „sauber“ und die Arbeitszeiten seien von 8-17 Uhr. Wirklich interessant, wie viele Leute in so kurzer Zeit einen Fleece-Pullover herstellen. Irgendwie hatte ich aber trotzdem das Gefühl, dass selbst unsere Tierhaltung oftmals besseren Bedingungen unterliegt als die Arbeitsverhältnisse hier… Das Material stammt aus China, hier wird nur geschnitten und genäht. 1000 Arbeiter stellen an insgesamt 9 „Reihen“ 9000 Stücke (Pullis, Jacken) pro Tag auf 6 Etagen her. Ein grosser Abnehmer ist KiK in Deutschland. Viele verschiedene Marken, aber alles ein und dasselbe Produkt natürlich! Azam, der Big-Boss, jammerte natürlich, dass er nicht viel an einem Kleidungsstück verdiene, aber auch wenn er nur 1 Cent Reingewinn macht pro Stück, ist dies (=90€/d)  schon extrem viel für die hiesigen Verhältnisse!! Eine Näherin verdient gerade mal 1€ pro Tag…
Auch konnten wir hier direkt neben der Schule eine kleine „Garagen-Fabrik“ anschauen. Handy-Akkus werden hier fertig gestellt. Rohmaterial aus China wird importiert und dann werden in dieser kleinen Garage an der Manda-Road noch die Metall-Kontaktstreifen sowie die Plastikhülle angebracht. Tausende von Akkus stehen da rum. Und gleich nebenan ist eine Fabrik, die Zuggummibänder für Unterwäsche herstellt. Marke wohl frei wählbar – wir sahen gerade Reebok.
Diese Manda-Road bietet einfach alles! Wie ein kleiner Ameisenhaufen. Sie verändert sich täglich und verglichen mit vor 6 Wochen sieht sie irgendwie komplett anders aus. Überall wird gebaut, gegraben, Erde aufgeschüttet…und das schöne ist, dass irgendwie jeder versucht, etwas beizutragen.

Letzte Woche waren wir mit den zwei deutschen Freiwilligen im „German Club“. 5€ Eintritt! Dafür muss eine Näherin eine ganze Woche arbeiten… drinnen gibt’s einen Swimmingpool und einen Tennisplatz (aber wer will sich bei dieser Hitze schon sportlich betätigen?) – es war ziemlich absurd, direkt aus dem Korail-Slum in diesen German Club zu gehen. Aber abgesehen von den Mittwochabenden bei den Priestern von Notre Dame, war dies die einzige und erste weitere Möglichkeit für ein kühles Bier!

Unsere Feeding-Station werde ich wirklich vermissen. Es ist so schön zu sehen, wie diese kleinen, unterernährten Kinder in nur 2 Wochen an Gewicht zunehmen und zum Teil – wie Armon - plötzlich zu Gehen beginnen oder wieder lachen können. Natürlich sind auch die Mütter zufriedener (und mache legen ebenfalls schön an Gewicht zu, was nicht schadet…) und zeigen so viel Dankbarkeit. Auch herrscht irgendwie immer eine schöne Atmosphäre unter den Müttern mit ihren Kindern – sie lernen voneinander und können sich austauschen. Das scheint sonst nicht so der Fall zu sein.

Die Religion ist hier sicherlich ein starkes Hindernis für alles. Eine Frau hat bei Muslimen nicht viel zu sagen – ausser sie ist die Tochter oder Witwe eines ehemaligen Staatsoberhauptes, dann kann sie Prime Ministerin werden oder als Oppositionsleaderin fungieren…
Auch spannend ist, dass kleine Kinder immer einen grossen schwarzen Punkt an der linken Stirnseite tragen um böse Geister abzuhalten. Auch tragen alle – also auch Erwachsene – eine schwarze Schnur mit einem Anhänger um den Bauch. Ebenfalls um Dämonen abzuhalten. Ob Allah damit einverstanden ist oder nicht, weiss ich nicht. Jedenfalls gibt es hier ganz viele eigenartige Vorstellungen und Weltansichten, insbesondere auch über die Gesundheit, die in erster Linie aber auf Unwissenheit basieren – Allah hin oder her…
Auch sehen wir täglich gesundheitliche Probleme der „Tabu-Zone“. Dies ist immer ein riesen Problem, da die Leute nicht darüber sprechen können bzw. dürfen. Es ist oft sehr mühsam den Patienten klar zu machen, dass es für die Therapieentscheidung äusserst wichtig ist, wo wie und was genau weh tut oder brennt. Von Frau zu Frau sind viele Dinge einfacher, ebenso von Mann zu Mann, aber auch das geht nicht immer ganz so einfach wie zuhause. Zu viel Scham ist mit diesem Thema verbunden – auch hier würde etwas mehr Aufklärung und Bildung nichts schaden…

Am Wochenende waren wir in der „Altstadt“ sowie bei dieser alten Lhalbag „Festung“ irgendwo westlich des Zentrums. Also der Kultur wegen muss man wirklich nicht nach Dhaka… aber das Land ist halt auch noch jung. Alles was vor der Befreiung des Landes (von Ostpakistan) geschah, wird hier verschwiegen; es war ja damals noch nicht Bangladesch. Die Landesgeschichte beginnt am 25. April 1972.
Das Jahr 1972 ist generell ein guter Anhaltspunkt. Viele ältere Leute wissen nämlich überhaupt nicht, wann sie geboren sind, sprich sie haben keine Ahnung, wie alt sie in Wirklichkeit sind. Oftmals steht einfach irgendein Geburtsdatum auf ihrer ID. Dann ist die Befreiung des Landes ein guter Meilenstein herauszufinden, ob sie dann schon verheiratet waren, Kinder hatten oder noch zur Schule gingen etc…

Dhaka selber ist einfach der Wahnsinn. Der Verkehr hier ist einzigartig und entsetzlich. Vor allem auch, weil einfach tausende von Rikschas die Strassen blockieren können. Ich bin wirklich froh, dürfen LKWs tagsüber nicht fahren in der Stadt. Die jetzt schon so staubig-dreckige und trockene Luft wäre dann noch viel schwerer zu ertragen. Die Regenzeit hat am 15. Juni begonnen. Seit 5 Tagen haben wir keinen Tropfen Regen gesehen… :-( die Temperaturen steigen täglich und die Nächte werden immer unerträglicher. Oft erwache ich nachts Schweiss gebadet. Die Temperaturen sinken nachts nur auf 28.5°C…und bei uns im 6. Stock bringen wir die Hitze kaum mehr aus der Wohnung…gratis Sauna – nur die Jahreszeit ist unpassend… heute Abend regnete es aber wenigstens für eine knappe Stunde. Die Manda-Road ist nun wieder ein grosser Sumpf, die Rikschas kommen kaum vorwärts und die geteerten Strassen stehen teilweise wieder etwas unter Wasser. Ein bisschen kühlender Regen und die halbe Stadt steht still…und die Abkühlung währte nicht lange. Die hohe Luftfeuchte nun macht’s fast noch schlimmer als es schon war…

Soeben kamen wir zurück von den Priestern im „Notre Dame College“. Irgendwie süss, wie sie zu uns schauen. Einmal pro Woche ein Bier und ein Essen. Dazu Crickett, Football oder Fussball schauen und ein bisschen Plaudern bis Vater Benjamin einschläft und Vater Timm auch zu müde wird... – that’s it :-)

Vor zwei Wochen war ich beim Coiffeur hier in der Schule. Älterer Herr, der kein Wort Englisch spricht – mal wieder ein lustiges Erlebnis. Zuerst Bart schneiden, denn für die Leute hier ist ein 3-Tagesbart etwas völlig Ungewöhnliches und alle fragten mich, ob es mir nicht gut gehe… Bart musste also rasch weg. Auch ein einmaliges Erlebnis. Das ganze Gesicht wird mit Rasierschaum eingeschäumt – wozu ist nicht ganz klar… eigentlich ist die Bartrasur hier mehr ein Ritual als eine „Alltagsangelegenheit“. Phuu…ganze 20 Minuten hat die Prozedur gedauert – und ich musste erst noch nach rasieren… daher blieb es beim einmaligen Erlebnis ;-) Haare schneiden war ganz ok – und der Preis mehr als fair.

Montag und Dienstag wurden wir bei unserer Arbeit in den Slums von Khilgoan2, Gandaria und Korail von einem deutsch-bengalischen Filmteam begleitet, die aber primär die zwei deutschen Freiwilligen beim Übersetzen filmten. Das war auch sehr spannend und ich fand es schön, dass sie bei meinen zwei „Lieblings-Slums“ dabei waren J Khilgoan2 und Gandaria haben irgendwie Charme, wohl auch, weil sie die zwei ärmsten und authentischsten Slums sind. Und die Zugsdurchfahrten sind immer wieder ein Highlight. Der Dokumentar-Film wird irgendwann im nächsten Jahr am späteren Abend im ZDF ausgestrahlt – voraussichtlicher Titel: „Fernweh Bangladesch“.

Fernweh… ich hatte eine wirklich sehr schöne, äusserst spannende und lehrreiche Zeit hier mit vielen positiven, aber auch weniger schönen Eindrücken. Trotzdem freue ich mich wieder sehr auf trinkbares Hahnenwasser, etwas weniger Hitze, ein gutes Glas Wein, Brot und Käse, Berge, Schlaglöcher freie Strassen, weniger Lärm und bessere Luft…
Wahrscheinlich was dies nicht der letzte Einsatz mit den German-Doctors!

Khoda hafez – goodbye – Bangladesch.

Sonntag, 9. Juni 2013

Ein Monat in Dhaka

Ich bin nun bereits einen Monat in Bangladesch. Irgendwie gefällt es mir ganz gut hier und doch ist es manchmal einfach nur frustrierend und mühsam, täglich diese ganze Armut zu sehen. Das Team ist super. Christoph hat mich am Wochenende leider verlassen, aber die neue österreichische Kollegin ist auch ganz nett und wir verstehen uns schon gut.

Arbeit
Das Gesundheitssystem in Bangladesch ist sehr speziell. Einerseits gibt es hier staatliche Impfzentren und die Kinder sind hier so gut durch geimpft, wie es sich jeder Infektiologe wünschen würde. Interessant aber, dass nur Masern geimpft wird und nicht wie bei uns MMR (Masern, Mumps und Röteln). Wir sahen jetzt schon ein paar Mumps-Kinder mit den typischen Hamsterbacken. Auch Vitamin A wird den Kindern gratis vom Staat abgegeben. Die staatlichen, öffentlichen Krankenhäuser sind grundsätzlich gratis, jedoch scheint dann doch wieder jeder Arzt irgendwie ein Honorar zu verlangen, so dass sich viele Patienten dies dann wiederum doch nicht leisten können. Jene, die es sich dann aber leisten können, gehen lieber in ein privates Krankenhaus, wo dann die Ärzte wiederum eine ganze Palette an sinnlosen Abklärungen verordnen…es ist wirklich ein Graus, was diese „Privaten Ärzte“ teilweise verordnen. Die meisten Abklärungen (Labor, Röntgen, Ultraschall etc.) bringen erstmals nur dem Geldbeutel des Arztes etwas, da diese irgendwelche Verträge mit den Labors haben und somit daran mitverdienen. Die Leid tragenden sind meistens die Patienten und viele kommen dann zu uns, da wir die Kosten für die Abklärungen übernehmen, sofern WIR dies verordnen. Es ist manchmal nicht einfach, diesen Patienten zu erklären, dass diese Abklärungen völlig sinnlos sind und keinen weiteren Nutzen bringen. Auch sehen wir viele Patienten, die wegen ihrem Schnupfen bereits in der Apotheke waren und dort schon irgend ein Breitbandantibiotikum für 2 Tage erhalten haben…Apotheker hier dürfen praktisch alles abgeben und sie geben auch alles ab, was Geld gibt – sinnvoll oder nicht, es gibt Geld. Ausser Blutdruck messen können sie ja keine weitere Diagnostik machen.
Unsere Ernährungsstation füllt sich langsam wieder. Der neue Rekord liegt bei 6 unterernährten Kindern. Gerne hätten wir mehr Kinder hier, aber oftmals dürfen die Frauen mit ihren Kindern nicht kommen, da der Ehemann ihnen dies „verbietet“ oder sie arbeiten müssen und sie 1. den Job nicht verlieren wollen und 2. das Geld dringend benötigen. Gerade letzte Woche konnten wir aber in einem längeren Gespräch eine Lösung mit Gross- bzw. Schwiegermutter finden, so dass das Kind nun doch bei uns aufgefüttert werden kann. Aktuell haben wir z.B. ein 9 monatiges Kind hier, das 4.0kg wog bei Aufnahme. Vergangene Woche war es so drückend heiss und der Strom fiel täglich mehrfach aus, so dass die Hitze ohne Ventilatoren kaum auszuhalten war – dies spürten leider auch die Kinder und nahmen nur ungenügend zu in dieser Zeit.
Wir hatten nun auch einige Patienten ins Tuberkulose-Spital zur Abklärung geschickt und ich bin gespannt, was sich dabei ergibt. Bisher kam noch keiner zurück, was entweder daran liegt, dass unsere Vermutung richtig war oder die Patienten nicht hin gingen…die Abklärungen im Tb-Hospital sind zwar gratis, aber diese Krankheit ist irgendwie so negativ behaftet, dass viele Patienten gar nicht hingehen wollen. Auch dies erfordert oft längere und mühsame Gespräche (da via Übersetzer), bis die Patienten verstehen, was der Sinn der Sache ist. Unser Patienten-Klientel stammt ja aus einer Gesellschaftsschicht, von der ich ehrlich gesagt nie weiss, wie viele von ihnen überhaupt lesen und schreiben können, geschweige denn wissen, wann sie welches Medikament einnehmen müssen… aber den meisten Patienten geht es nach unseren Behandlungen sowieso besser – wahrscheinlich ist doch eine ganze Menge Plazebo-Wirkung mit dabei.
Eindrücklich ist auch, dass wir bei schlechtem Wetter kaum Patienten sehen. Diese kommen dann meist zum nächsten Termin. Wir hatten zu zweit schon knappe 60 Patienten an einem Vormittag (in 3.5h) behandelt. Wenn man bedenkt, dass viel Zeit durch die Übersetzung „verloren“ geht, waren wir da schon ganz schnell. Die Untersuchung an sich ist eben oft auch sehr schwierig, da entweder ein Zug vorbei fährt, die Kinder der Schule auf der anderen Seite der Mauer einen ungehörigen Lärm veranstalten oder der Regen auf das Blechdach prasselt, so dass eine einfache Untersuchung wie das Abhorchen der Lunge urplötzlich zu einer grossen Herausforderung wird. Die Privatsphäre wird auch klein gehalten – jeder hört die Probleme des Nachbarn, da wir praktisch immer alle im selben Raum sind.
Manchmal machen wir wirklich ein bisschen „Wild-West-Medizin“ hier und andererseits können wir mittels eines modernen Ultraschallgeräts doch sehr viel an diagnostischer Technik bieten…und die Patienten sind sehr dankbar, dass wir das Angebot so breit wie möglich halten und sie nicht ins Spital müssen.
Die Krankheitsbilder sind doch sehr verschieden zu dem, was wir bei uns täglich sehen. Hier klagen wirklich viele Patienten über Hautprobleme. Häufig Ekzeme und auch nicht selten: Verbrennungen! Oft trifft es kleine Kinder, die wohl beim Spielen gegen einen der kochenden Töpfe vor der Hütte stolpern… den sicherlich tragischsten Fall der letzten Tage ist eine ca. 25-jährige Frau, die von ihrem Mann mit Kerosin übergossen wurde und anschliessend mit einem Streichholz angezündet wurde! Tiefe Verbrennungen an Hals und Dekolleté bis zu den Brüsten. Ja, die Stellung der Frau in diesem doch sehr muslimischen Land lässt sehr zu wünschen übrig…

Bildung
Unserem Projekt sind insgesamt 3 Schulen angegliedert, wobei die Schule im Korail-Slum mittlerweile anderweitige Unterstützung erhielt. In Manda (1100) und Gandaria (600) erhalten aber doch immer noch viele Kinder eine Schulbildung dank diesem Projekt. Das Bildungssystem ist natürlich keineswegs mit dem unsrigen vergleichbar…die meisten Kinder gehen zwar bis zur 8. oder 10. Klasse in die Schule, danach wird’s aber immer teurer für die Eltern. Mit den 10. Klässlern in unserer Schule ist eine (sehr) einfache Unterhaltung auf Englisch gerade so knapp möglich. Aber was soll man mehr erwarten von täglich 2-4h Unterricht…ja genau, mehr liegt meist nicht drin, denn die Schulhäuser sind so überfüllt und die Klassen mit 30-35 Kindern auch am oberen Limit, so dass die Klassen quasi im Schichtbetrieb durchgeschleust werden müssen! Lehrer geniessen hier ein hohes Ansehen, sind aber mit ihren 60-70€ pro Monat verhältnismässig schlecht bezahlt.

Hier drum ein kleiner Spendenaufruf: falls jemand Interesse hat, ein Slum-Kind zu unterstützen, soll er sich doch bitte bei mir melden. Es ist möglich, eine Patenschaft für ein Kind zu übernehmen oder auch einfach „unspezifisch“ Geld für ein Kind zu spenden, das Babul dann aussucht. Kostenpunkt: € 5.50/Monat!! Darin inklusive: täglich eine warme Mahlzeit sowie die Kosten für Schulbücher und natürlich die Lehrer. Wer also auf 2 Tassen Kaffee pro Monat verzichten kann und will, bitte melden ;-)
 
Ausflüge
Bangladesch ist alles andere als ein touristisch erschlossenes Land. Bei der deutschen Botschaft soll auch ein Plakat hängen mit dem Spruch „Komm nach Bangladesch, bevor die Touristen kommen“. Dies trifft den Kern doch recht gut. Die Hauptattraktion im Lande sind eigentlich immer noch die Touristen…
Wir verbrachten ein Wochenende im Süden, in den Sunderbans. Das ist der grösste zusammenhängende Mangrovenwald auf Erden auf einer Fläche von rund einem Viertel der Schweiz. Auch leben hier noch rund 200-400 bengalische Tiger in freier Wildbahn. Diese von einem auf den Kanälen fahrenden Boot zu erspähen, ist aber ein Ding der Unmöglichkeit. Am eindrücklichsten war für mich die Macht des Mondes. Ebbe und Flut zeigten gewaltige Differenzen, so dass kilometerweit ganze Landstriche unter Wasser standen während der Flut. Herden von Rehen und Hirschen waren auf kleinen Landflächen für Stunden eingesperrt, bis die Ebbe nahte. Auch einer unser morgendlichen Bootsausfahrten – mit nur einem Paddel! – musste abgebrochen werden bzw. das rettende Motorboot zog uns zum Schluss gegen die Strömung zurück. Über das nächtliche Zugfahrtserlebnis habe ich ja bereits berichtet.
Eine weitere Zugfahrt erlebten wir aber beim Ausflug zu den Teeplantagen in Srimongal, im Nordosten des Landes. Eigentlich weiss niemand so genau, wann der Zug fährt. Eine Abfahrtszeit steht auf dem Ticket, der Zug kommt aber einfach, wenn er kommt…dies kann bis zu 3 Stunden später sein, wie ich kürzlich erfahren durfte/musste… Die Teeplantagen sind zu Zeiten der englischen Herrschaft entstanden. Im Nordosten gibt es darum Schwarztee-Plantagen soweit das Auge reicht! Und wo kein Tee angepflanzt wird/wurde, da wachsen Reis, Ananas, Datteln, Mango, Jackfruit oder Litschi. Letztere drei Früchte sind grad in Hochsaison und schmecken einfach nur köstlich! Wir kamen auch in den Genuss des 7-schichtigen Tees – angeblich etwas weltberühmtes und einzigartiges, aber eigentlich wird der Tee einfach nur süsser, je tiefer man in der Schicht kommt; Schwerkraft und das spezifische Gewicht des Zuckers lassen grüssen. Die Rückfahrt aus Srimongal war dann etwas unangenehmer, denn meine Verdauung spielte zum ersten Mal so richtig verrückt! Ich weiss jetzt, wie sich Bauchschmerzen während einer 5-stündigen Zugfahrt anfühlen und man weiss, dass ein Klo nur im allerschlimmsten Falle zur Verfügung steht. Das Zugsklo war wirklich äusserst unangenehm und ich verstehe schon fast alle Männer, die einfach so aus dem Zug pinkeln… nun ja, ich hab’s überlebt und bin wieder heil in Dhaka angekommen und lange dauern diese „Magenverstimmungen“ ja nicht an.
Dann waren wir noch in der „Goldenen Stadt“, einer alten Hauptstadt Ost-Pakistans (wie Bangladesch früher hiess). 3 Stunden Busfahrt (mit unserem Privat-Bus!) für 30km! Der Verkehr hier ist einfach HORROR! Das effektiv einzige Highlight in dieser Stadt war eine hinduistische Stupa sowie die Mauern von einer verlassenen Hindu-Stadt. Ein wenig südlich davon war noch ein Museum, das man in 10Minuten gesehen hat… der Ausflug lohnte sich aber trotzdem, denn mal wieder etwas GRÜN zu sehen, tat richtig gut!
Das National Museum in Dhaka ist etwa gleich schlecht, wie das soeben erwähnte Museum. Ja, es ist wohl das schlechteste Museum, das ich je besucht hatte. Mit 90 Rappen wohl auch das billigste… Alle „Dinge“ waren einfach der Reihe nach aufgestellt in Glasvitrinen. Praktisch zu keiner Vitrine gab’s eine Erklärung. Nur der Name des Kleidungsstückes, des Musikinstrumentes, der Münze oder was auch immer, aber alles in einem völlig losen Kontext. Im obersten Stock gab es noch eine „Schweizer Ecke“. Dinge, die die Schweizer Botschaft dem Museum gespendet hatte…nach der Besichtigung dieser Gegenstände wusste ich nicht mehr, ob die Schweiz oder Bangladesch ein Entwicklungsland ist…diese Gegenstände im Naturhistorischen Museum in Appenzell wären ja voll ok, aber mit so alten Gegenständen sollte man die Schweiz jetzt nicht unbedingt „anpreisen“ – das dürfte sich unsere Botschaft also wirklich etwas mehr ins Zeug legen!

Christoph hatte mich ja vor kurzem verlassen. Eine Woche vor seiner Abreise, hatten wir eine Abschiedsparty organisieren lassen. „Party“ heisst hier: ESSEN. Babul hat aber für ein umfassendes Rahmenprogramm gesorgt, so dass wir in den Genuss von traditionellem Tanz, Gesang und Musik kamen. Die Kinder der Schule traten voll in Aktion und gaben ihr Gelerntes zum Besten! Wirklich ein gelungener Anlass mit insgesamt 70 Leuten (alle Lehrer sowie die Mitarbeiter von unseren „Aussenstationen“ in den Slums). Auch hatte er uns ein kühles Bier organisiert, was in dieser doch stark muslimischen Kultur nicht immer ganz einfach ist. Und für uns völlig unerwartet, wurden wir reichlich beschenkt mit kleinen Erinnerungsstücken an Bangladesch und unsere Arbeit hier in Dhaka. Es war ein durch und durch gelungener und schöner Anlass – leider begann es zu regnen, so dass wir von der Dachterrasse in den „Essenssaal“ der Schule wechseln mussten.

Mittlerweile hab ich nur noch 10 Arbeitstage vor mir. Ich freue mich auf ein Jogging in der Natur. Die Bewegung fehlt mir wirklich. Zwei- bis dreimal die 5-6Stockwerke hoch ist grad alles, was ich hier schaffe…mehr ist hier aber aus zwei Gründen nicht möglich: Luftverschmutzung und Hitze! Zudem wäre wohl der Park am Ende der Manda-Road der einzige Ort, wo sowas machbar wäre, ohne dass ich mich verlaufen würde… die Hitze war wirklich unerträglich in letzter Zeit – ich sehne mich nach abkühlendem Regen. Selbst nachts fällt die Temperatur (gemäss Internet-Wetter-Recherchen) nicht unter 26/27°C!! und wenn dann der Strom ausfällt und der Ventilator nur noch mit halber Kraft läuft…irgendwie freue ich mich auf den Schweizer Sommer... bis bald!

Mittwoch, 29. Mai 2013

Bangladesch - Land & Leute

Hier einmal ein paar Eindrücke aus verschiedenen Alltags-Erlebnissen, so gut es geht geordnet.

Leben im Slum
Wir leben hier in einer verhältnismässig wirklich schönen Wohnung – selbst für westliche Verhältnisse nicht schlecht! Wenn wir da wieder bei den Slums draussen an den Gleisen sind und ich sehe, dass ganze Familien in einer Hütte auf 4-5 Quadratmetern „wohnen“…wer Glück hat, konnte seine Hütte an die Betonmauer der gegenüber liegenden Strasse bauen. Alle anderen brauchen ein paar Bambusstangen, Plastikblachen, Blech, Tücher und Stricke mehr, um alle 4 Wände und das Dach einigermassen witterungsstabil zu konstruieren. Die Hütten sind niedrig, ich kann kaum darin aufrecht stehen. In einer Ecke (manchmal auch zwei Ecken ausfüllend) liegt quasi auf einem Tisch von ca. 1.5m Breite und 2m Länge ein dickes Stoff-Tuch, das als Matratze dient. Hier schlafen alle Familienmitglieder. Tagsüber wird hier drauf auch gegessen, insbesondere wenn es draussen regnet. Neben dem „Bett“ ist nicht mehr viel Platz. Manchmal steht da ein kleiner „Schrank“ – der Platz wird bei Regen aber auch als Küche benutzt. Dann wird das Feuer einfach in der Hütte drin gemacht, was ja nicht ungefährlich ist. Unter dem Bett kann man nur Dinge verstauen, die wasserdicht sind…der Regen dringt meist ungehindert in die Hütten rein. Manchmal ist der Schlafplatz aber direkt auf dem Boden – dann müssen Vorkehrungen getroffen werden, dass der Regen nicht ungehindert hinein dringen kann. Diese Hütten dienen also v.a. als Schlafraum und Wetterschutz. Ansonsten spielt sich das Leben mehrheitlich draussen ab – in Khilgoan und Gandaria auf den Gleisen, denn es gibt keinen anderen Ort zum Spielen und Leben... Dass der Zug alle 20-30min vorbei rattert – und dabei auch unsere Sprechstunde vor lauter Lärm zum Schweigen bringt – ist einfach so. Wie soll man da schlafen oder sich auch nur ausruhen können, wenn das Bett nur 1m neben dem Gleis steht? Die Züge gehören wirklich nicht zu den modernsten ihrer Art und erzeugen einen erheblichen Lärm, weshalb sie manchmal wohl auch etwas (zu) spät hupen. Diese Woche sahen wir einen Säugling, der wohl die Finger noch auf den Gleisen hatte als der Zug kam…auch im Krankenhaus konnten sie da nicht mehr viel machen; aber wir führen die Verbandswechsel künftig „gratis“ durch – immerhin ein kleiner Beitrag an eine tragische Geschichte. Toiletten gibt es in Form von Latrinen irgendwo zwischen den Hütten, in Khilgoan wurde wohl direkt ein Strassenschacht von der unmittelbar daneben liegenden Strasse angezapft, was mit einer deutlich geringeren Duftemission einhergeht. Nicht immer hat man da ein Dach über dem Kopf, aber wenigstens 4 „schützende“ Wände. Die kleinen Kinder scheuen sich aber nicht, ihre Exkremente direkt auf bzw. zwischen die Gleise zu setzen. In Korail wo wir mit dem „Boot“ (einem schlechten Einbaum) über den Fluss auf die Halbinsel rüber gerudert werden, fliesst direkt an der „Anlagestelle“ die Abwasserleitung in den Fluss, was einen netten Willkommensduft verstreut… Die übrigen Abfälle werden in den Slums wo alle eng aufeinander wohnen eigentlich besser entsorgt als sonst wo in der Stadt – hier würde der Müll das Leben komplett verunmöglichen! Praktisch in jeder Strasse stehen aber Müll-Mulden. Der säuerliche Duft dieser Mulden verfolgt mich manchmal bis nach Hause…und wenn ich dann vom Balkon oder der Terrasse runter schaue und den Müll von den Wohnungen hinter unserem Gebäude sehe, brennt es wieder stärker in der Nase… Ziegen und teilweise auch Kühe werden nicht selten direkt an einem Pfahl in einer solchen „Mülldeponie“ auf der Wiese angebunden, damit sie dort „grasen“ können… Raben, andere Vögel, Katzen und streunende Hunde, aber auch Leute aus den alleruntersten Sozialschichten trifft man nicht selten in diesen Haufen aus einem Mix von Kompost und Sondermüll an… Bon appétit!
Während meiner Arbeit hier sehe ich nicht selten solche Leute. Immer wieder bin ich erstaunt und bestürzt, dass eine 22-jährige, mehrfache Mutter auf Betteln angewiesen ist, weil ihr Ehemann sie verlassen hat und sie nun irgendwie die zwei oder drei Kinder über die Runde bringen muss… nicht selten werden die Kinder genau dieser Mütter bis zum Alter von 2 Jahren (oder auch darüber) voll gestillt. Natürlich nehmen diese Kinder ungenügend zu, da die Muttermilch rein kalorientechnisch nicht ausreicht und sind völlig mangelernährt, aber stillen ist billiger als andere Nahrung. Für diese Fälle finde ich unser „Food-Package“-Angebot (1kg Reis und 250g Dhal) wirklich lobenswert! Natürlich verabreiche ich da gleich auch Multivitamine und Eisen, denn Fleisch oder andere eisenhaltige Produkte vermag hier niemand. Entsprechend blasse Augen-Bindehäute sehen wir hier täglich – aufgrund der dunklen Hautfarbe sieht man den Leuten die Blutarmut nämlich kaum an. Multivitaminpräparate wirken hier aber auch deutlich besser – Placebo oder wahrer Effekt sei dahin gestellt; Hauptsache es wirkt! Und mangelernährt sind sie praktisch alle – ansonsten sind sie in diesem Projekt eigentlich fehl am Platz… immer wieder staune ich, dass ich bisher erst 3 Patienten hatte, die schwerer waren als ich! Im Durchschnitt sind die 20-25kg leichter – es soll mir also nie mehr jemand sagen, ich solle/müsse mehr essen ;-)
Trotz dieser doch sehr offensichtlichen Armut sind wir immer wieder erstaunt, dass eines doch nie fehlt: das HANDY! Genau. Praktisch jeder noch so arme Kerl besitzt hier ein Handy. Aber für 15-20 Franken kriegt man bereits ein Handy inkl. Nummer – der Nutzen des Handys überwiegt da die Kosten natürlich bei Weitem, womit sich das Erstaunen über den Handy-Besitz wieder etwas relativiert… Weiter stellt sich die Frage, wie ein „Slum“ zu definieren ist. Hier ist Armut und weniger-Armut so nah beisammen. Auch hier in der Manda-Road, was ja eigentlich eine sehr geschäftige und nicht unbedingt arme Strasse zu sein scheint, gibt es etliche Hütten hinter all den Gebäuden an der Strasse vorne. Nur schon wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich etliche Wellblech-Dächer unter mir und nach dem Regen frage ich mich immer wieder, wie trocken es wohl noch in diesen Hütten ist… Die „Slums“ hier sind oft nicht einfach in einer einzigen Region angesiedelt. Nein, sie sind mitten ins Alltagsleben „gestreut“. In Khilgoan und Gandaria zwar schön entlang der Zugschienen, aber auch hier in der Nähe gibt es eine „Zelt-Reihe“ an der Strasse entlang… Viele dieser Leute leben wirklich unter ärmsten Bedingungen und sparen sich dann quasi ihr Geld für einen kleinen Luxus wie ein Handy oder „Ferien“ auf dem Land bei Verwandten.
Für viele Kinder drucken wir jeweils die geknipsten Fotos aus und übergeben sie ihnen eine Woche später – da haben jeweils auch die Mütter schier Tränen in den Augen. Es gibt also durchaus sehr schöne und dankbare Momente in diesen Slums.

Politik
Hierüber möchte ich eigentlich nicht allzu viele Worte verschwenden, denn ich verstehe absolut nicht, was hier abgeht. Nur so viel: die aktuelle Prime Ministerin ist die Tochter des Staatshelden, der das Land in den 70er Jahren befreit hat. Die Oppositionsführerin ist die Witwe eines ehemaligen Staatsoberhauptes. Es werden also eigentlich mehrheitlich familiäre Streits in der Öffentlichkeit ausgetragen und als „Politik“ verkauft. Wie es scheint, haben beide von Politik wenig Ahnung. Die Opposition, die BNP (eine ziemlich fundamental-islamische Partei), ruft immer wieder zu Streiks auf, welche die Wirtschaft hier jeweils noch ganz zum Erliegen bringt. Wirklich viel Sinn macht das Ganze nicht und die Wahlen sind ja erst im Januar…schon fast amerikanische Verhältnisse…und von Demokratie spürt man hier auch wenig… ich frage mich da immer, wie man demokratische Wahlen durchführen will, wenn man nicht vorher sicher gestellt hat, dass auch die Mehrheit überhaupt lesen und schreiben kann… aber da gehen die Meinungen wohl auseinander.

Geld
Bereits am Flughafen wird klar: hier muss man Geld WECHSELN. Keiner der dortigen Bankomaten gibt Ausländern Geld – Danke für die Sicherheit liebe Schweizer Banken. Ich habe hier etwa 6 Bankomaten ausprobiert. Lustig auch, dass nicht jede Karte an jedem Bankomaten akzeptiert wird… aber auch hier zeigt sich, wie „verwöhnt“ wir sind. Einmal wollte ich Geld abheben, da war grad Stromausfall...tja, da gibt’s halt kein Geld! Interessant auch, dass viele Bankomaten nur 500er und 1000er Noten ausspucken (= 5 bzw. 10€), aber NIEMAND, aber auch wirklich niemand will diese grossen Noten! Schon unvorstellbar, dass man nicht einmal mit einer 5€-Note bezahlen kann, selbst wenn es 400 kostet…die wissen genau, dass sie ihren grossen 500er-Schein auch wieder kaum weg bringen. Die kleinen Noten fühlen sich dann auch an wie Monopoly-Spielgeld und sind auch nur unwesentlich grösser (wobei ich schon lange kein Monopoly mehr gespielt habe...vielleicht täusche ich mich auch). Die kleinste Note ist ein 2-Taka-Schein (=0.02€). Dann gibt es noch Münzen. Die kleinste mir bekannte ist die 1-Taka-Münze. Wahrscheinlich gibt es noch halbe und viertel Takas, aber wir Touristen brauchen so kleines Geld ja eh nie…
An manchen Arbeitsorten (Gandaria und Korail z.B.) spendieren wir jeweils ein paar Taka, damit entweder ein kleiner Imbiss (diese gefüllten Teigtaschen) oder eine grosse Kanne Tee gebracht wird – 50 Rappen reichen hier wirklich weit und das ganze Team ist zufrieden ;-)

Verkehr
Rikschas dominieren den Verkehr Bangladeschs. Autos sieht man wenige, wobei eine deutliche Zunahme verzeichnet werden kann, je näher man sich dem „Reichenviertel“ nähert und im Gegenzug finden sich dort kaum mehr Rikschas. Dort nimmt übrigens auch die Anzahl der Bettler deutlich zu und sie sind wohl noch etwas penetranter bei Ausländern… Die Strassenverhältnisse sind miserabel. Eine asphaltierte Strasse ist zwar vielerorts vorhanden, jedoch mit grösseren oder kleineren Schlaglöchern, die ein Ausweichen auf die oftmals nicht geteerte andere Spur notwendig machen. Im ungeteerten Dreck kann insbesondere nach Regen das Vorwärtskommen mühsam werden. Hier herrscht noch Linksverkehr – wie Kricket noch ein „Überbleibsel“ aus alten, englischen Zeiten… Grundsätzlich fährt daher das schwächste Gefährt jeweils links neben den Fussgängern. Also zuerst Rikschas, dann die CNG-Taxis (Erdgas-Taxis), dann Motorräder, Autos und Busse. Letztere müssen aber immer wieder links ran fahren um Leute ein- und aussteigen zu lassen. Hier muss man aber einfach frech fahren. Sogar ein pedalender Rikscha-Fahrer kann einen grossen Bus ausbremsen, wenn er frech und mutig genug ist! Wir fahren ja täglich mit unserem Mini-Van in die Slums. Unser Fahrer ist entsprechend „geübt“ J er macht seinen Job als Vortritt-Erzwinger wirklich gut. Kürzlich war aber die Hupe kaputt – da war das Vorwärtskommen gefühlt nur halb so rasch…in Wirklichkeit bringt die Huperei wahrscheinlich überhaupt nichts, ausser viel Lärm. Aber jeder hupt und eine Autohupe hinter einer Rikscha führt irgendwie doch dazu, dass der Rikscha-Fahrer „Angst“ um sein Velo kriegt und daher Platz macht… für Motorräder herrscht übrigens Helmpflicht – aber Helme sind störend auf dem Kopf, drum trägt sie kaum jemand, auch die Polizisten nicht immer… auch gibt es Ampeln, die irgendwie aber zu häufig auf Rot stehen, weshalb ihnen auch nur wenig Beachtung geschenkt wird – mit einem grossen Auto kann man sich den Vortritt auch erzwingen! Mit den lokalen Bussen sind wir noch nie gefahren – was aber auch nicht zum „Muss“ gehört. Die Busse sind immer so überfüllt und mit diesen Klapperkisten ist man bestimmt nicht schneller, als mit einem CNG-Taxi, welches auch noch umweltfreundlicher ist als diese uralten Diesel-Schleudern.
Bangladesch verfügt über relativ viel Erdgas, das vom Staat auch relativ billig abgegeben wird, weshalb viele Autos einen dualen Antrieb besitzen, normalerweise aber mit Gas fahren.

Zug
Wir sehen beinahe täglich die Zugsdurchfahrten in den Slums von Khilgoan und Gandaria. Viele Leute sitzen auf dem Dach oder stehen aussen an der Lok und halten sich irgendwo fest. Ok, die Züge fahren im Stadtgebiet nicht sonderlich schnell, aber trotzdem… Es sind übrigens Diesel-Loks, so dass keine Starkstromleitung über ihren Köpfen durchführt! Wenn man ein Zugticket kauft, kriegt man einen zugewiesenen Sitzplatz – solange es noch hat. Danach werden Tickets verkauft, bis keiner mehr eines will…Platz muss man sich selber machen. Eben auf dem Dach oder im Gang, WC oder irgendwo… Wir fuhren mit dem Nachtzug nach Khulna im Südwesten. Ein wirklich EINMALIGES Erlebnis, das wir auch kein zweites Mal erleben wollen. Der Zug war gestossen voll und an jedem Bahnhof wollten noch mehr Leute einsteigen. Wir waren wirklich froh, einen fixen Sitzplatz zu haben. Die Ventilatoren an der Decke bliesen uns die ganze Nacht diese warme, stickig-stinkige Luft ins Gesicht. Die zwei kleinen Fenster am Rande führten nur zu einer unwesentlichen Verbesserung der Luftqualität. Mit der Zeit verliessen aber immer mehr Leute den Zug, so dass alles ruhiger und angenehmer wurde… auf bei der Rückfahrt (bis zum Flughafen in Jessore) nahmen wir den Zug. Muss wohl 3. Klasse gewesen sein. Aber tagsüber weniger voll und daher gar nicht so schlimm ;-) einfach ziemlich laut und diese wackeligen Ventilatoren an der Decke, wo man nie so genau weiss, ob die gleich runter fallen oder nicht. Über Land fährt der Zug auch nicht sehr schnell. Die Gleise betrachtend ist dies wohl auch sinnvoller – entweder sind sie durch die Wärme so verzogen oder sie waren noch gar nie völlig gerade… Zugfahren ist aber sicher und eindeutig ein Erlebnis! Auch lernt man ganz einfach Leute kennen (eigentlich überall, wo man der einzige Weisse ist…). Und die Leute sind wirklich alle sehr hilfsbereit!

Die Sprache bzw. die Schrift hier bringt es ja mit sich, dass ich nicht einmal die Zahlen lesen kann! Bis wir nur das richtige Gleis gefunden hatten…5! Ja, aber welches dieser Zeichen ist die Nummer fünf?! Oder den richtigen Sitzplatz im entsprechenden Wagen zu finden… hier sind diese wirklich überaus hilfsbereiten und liebenswerten Menschen einfach Gold wert!

Sprache
Die Sprache hier ist ja komplett anders. Ähnlich wie die meisten asiatischen Sprachen und Schriftzeichen, kann man hier als Durchschnittseuropäer einfach nichts lesen. Die „Hieroglyphen“ ähneln jenen der thailändischen Schrift (das kennen wohl die meisten – wenigstens vom Sehen). Die Sprache selbst ist eher rau. Auch scheint sie eher einfach zu sein und nicht sehr differenziert zu sein. Dies macht es wohl gerade im ärztlichen Alltag nicht immer einfach, genau herauszufinden, wo was genau weh tut oder nicht gut ist. Es scheint nicht so genaue Bezeichnungen zu geben und die Übersetzung macht’s ja nicht einfacher… auch spannend ist, dass es hier irgendwie nicht „Gang und Gäbe“ ist, sich richtig zu begrüssen oder zu verabschieden. Die Leute stehen einfach auf und gehen ohne etwas zu sagen. Kein „Tschüss“ oder „Danke“, einfach weg. Das hatte mich am Anfang ziemlich verunsichert, weil ich nie wusste – ja eigentlich immer noch nicht richtig weiss – ob die Leute zufrieden waren mit dem, was wir besprochen und verschrieben hatten oder nicht. Dabei sind sie soooo froh, helfen wir ihnen, aber sie kennen die Möglichkeit des „Sich-Ausdrückens“ einfach nicht. Und zugegeben, wir sehen mehrheitlich weibliche Patientinnen. Diese haben ja sowieso nicht viel zu sagen und sind sich daher wohl auch nicht gewohnt, etwas zu sagen…

Strom
Stromausfälle gehören zum Alltag. Die Regierung hat es aber geschafft, auch die ländlichen Gebiete mit Strom zu versorgen. Der grösste Teil des Stroms stamme aus Wasserkraft. Viele Flüsse fliessen ja hier in den indisch-bengalischen Golf. Weiter stehen anscheinend ein paar AKWs im Lande – kürzlich war hierüber ein sehr kritischer Artikel in „The Daily Star“, der englischen Tageszeitung hier. Staatlicher Solarstrom gibt es nicht und in der Stadt selber habe ich noch nirgendwo Solarpanels gesehen. An der Küste gäbe es aber Gezeitenkraftwerke. Ob der Zyklon „Mahasen“ wenigstens zu einer erhöhten Stromproduktion geführt hat?

Wasser
Gemäss Vater Timm, der 1952 hierher kam, konnte man damals das Hahnenwasser trinken und es sei damals unvorstellbar gewesen, dass sich dies je einmal änder könnte/würde. Das Leitungswasser stammt weiterhin aus dem Buriganga-Fluss…diesem schwarzen Gewässer, das durch die Stadt fliesst. Rein optisch erscheint es sauber und zum Zähneputzen geht das auch problemlos, aber trinken soll man es natürlich nicht. Viele Einheimische haben aber keine andere Wahl…wahrscheinlich bringt auch das Abkochen des Wassers nur einen kleinen Effekt. Es müssen etliche Schadstoffe da drin sein, die auch durch Abkochen nicht zerstört werden. Ein Liter Trinkwasser kostet ca. 25 Rappen.
Kürzlich hatte ich doch wirklich einige Patienten, die über Verstopfung klagten! Da mussten mein Übersetzer und ich ein wenig schmunzeln…normalerweise klagen die Patienten über das gegenteilige Symptom. Ich hab dann als Scherz erwähnt, sie sollen doch einfach einmal nicht abgekochtes Wasser trinken…

Kleidung
Männer wie Frauen tragen hier mehrheitlich einen „Sari“, ein Tuch um den Körper. Männer häufig ein T-Shirt und unten rum das Tuch. Darunter übrigens keine Unterwäsche – jaja…die Arbeit als Arzt lässt einen dies erfahren. Jetzt weiss ich aber auch, was all die Männer „sitzend“ am Strassenrand machen: Pinkeln! Das geht wirklich ganz einfach so. Tuch hoch, in die Knie und los geht’s – „tschäddere loh“! Immer mehr Männer tragen aber auch eine Hose – westlicher Einfluss halt. Warum ausgerechnet die meisten Rikscha-Fahrer KEINE Hose tragen ist mir nicht klar – so ein Tuch um die Beine behindert ja eigentlich beträchtlich beim Velofahren…aber es ist wohl billiger und dieses neue Zeugs muss ja nicht jeder haben.
Frauen tragen mehrere Tücher um ihren Körper. Meist eines unten rum. Was da drunter getragen wird, weiss ich nicht – dies ist auch für einen (Allgemein-/Haus-)Arzt hier eine absolute Tabu-Zone (was gewisse Therapie-Entscheidungen manchmal recht schwierig macht). Junge Mädchen tragen meist einen BH, jene mit/nach Kindern meist nur noch ein T-Shirt/Top, wenn überhaupt. Ansonsten kann man ja auch einfach ein Tuch um die Brust wickeln damit nicht alles wackelt. Und dann noch ein dünneres Tuch über den Kopf bzw. das Dekolleté.
Auch würde man denken, hier kriegt man all die Kleider, die man bei uns mit „Made in Bangladesh“ kaufen kann! Weit gefehlt! Richtige Kleiderläden gibt es hier kaum!! Ja, richtig gehört. Selbst in Gulshan, dem Reichen- und Diplomatenviertel, muss man also wissen, wo es diese Läden gibt! Aber Stoff kann man an jeder Ecke in grossen Mengen kaufen – auch steht an jeder 2. Strassenecke eine Näherin mit ihrer Nähmaschine… grosse Kleiderfabriken habe ich bisher erst eine gesehen. Die ist hier am Ende der Manda-Strasse. Eine Englische Textilfabrik. Aber Einlass zu kriegen, scheint aktuell unmöglich zu sein, zu gross ist momentan der Druck vom Ausland.

Über das Leben in und an der Manda-Road werde ich vielleicht ein andermal etwas mehr erzählen. Nur so viel: hier gibt es ALLES! Vom Glühbirnen-Reparierer über den Blumenverkäufer, den Schweisser, unzählige Apotheken und Kleinläden mit „von allem ein bisschen“, Gemüse- und Fischmärkten, einigen Moscheen, Strassenrestaurants, Handyläden und Textilverkäufer bis zu eben dieser grossen Textilfabrik am Ende der Strasse. Auf der Strasse herrscht daher auch immer ein reges Treiben, was irgendwie noch lustig ist zu beobachten – mit unserem Kleinbus da drin im Stau zu stecken ist wesentlich unangenehmer…

Samstag, 18. Mai 2013

Dhaka - 1. Woche


Nun bin ich erst eine Woche hier und es kommt mir vor, als wäre ich schon einige Wochen in Dhaka – ich habe viel erlebt! Die Woche war geprägt von politisch motivierten Streiks sowie dem Zyklon „Mahasen“, welcher die südwestlichen Küstengebiete streifte und glücklicherweise nicht allzu viel Schaden anrichtete. Auch führte er zu abkühlendem Regen im Landesinneren sowie auch einer Beruhigung der Streiks – ich bin gespannt, wie es nächste Woche weiter geht.
Am vergangenen Sonntag begann meine Arbeit im Projekt hier (die Muslime haben Freitag und Samstag Wochenende). Das Ziel der Organisation ist, medizinische Hilfe und Versorgung für die ärmsten der Armen anzubieten. Es existiert zwar ein staatliches Gesundheitssystem mit staatlichen Impfprogrammen etc. Trotzdem können sich viele Leute hier die benötigten Medikamente und Untersuchungen nicht leisten (Krankenhausaufenthalt ist gratis, einzig Medikamente und Untersuchungen wie Blut-Tests, Ultraschall, Röntgen, EKG etc müssen selber bezahlt werden). Wir haben die Möglichkeit, Blutuntersuchungen und Röntgenbilder zu veranlassen, sofern dies notwendig ist und auch therapeutische Konsequenzen hat! Ultraschall und EKG können wir teilweise selber machen (EKG nur am Hauptstandort). Die deutsche Botschaft hatte ein tragbares Ultraschallgerät gesponsert, das qualitativ wirklich brauchbar ist, so dass wir dies nun jeden Tag mitnehmen und circa jeden 2. Tag einmal brauchen – häufiger braucht man dies hier nicht.
Morgens fahren wir jeweils in die Slums raus und am Nachmittag sind wir – bis auf Dienstag – jeweils hier an der Manda-Road, wo auch die Schule und der Hauptsitz der Organisation sind. Von hier verladen wir jeden Morgen unsere Sachen (Medikamente und Materialien) in den Bus und installieren uns im entsprechenden „Behandlungsraum“ vor Ort. Sonntagmorgen sind wir in „Khilgoan I“. Wir mussten mit der Rikscha gehen, da die  fundamentalistische, islamische Partei einen dreitägigen Streik angekündigt hatte. Bei den Streiks kommt es immer wieder zu Handgreiflichkeiten und Unruhen, teilweise auch mit Verletzten und Toten. Die Manda-Road liegt im Osten der Stadt und wir fahren täglich 20-45min zu den Slums raus. Wenn der Weg durch eine „streik-technisch gefährliche“ Zone führt, nehmen wir die Rikscha oder bleiben zuhause. Am Sonntag wurde also all unser Material auf verschiedene Rikschas verladen. Das Behandlungszimmer in Khilgoan ist ein relativ grosser, schlecht belichteter Raum. Im Vorraum werden jeweils alle Patienten im Buch registriert und dann Gewicht und Blutdruck gemessen sowie die 30 Taka (0.30€) einkassiert (pro Behandlungswoche bzw. -Fall) – dies als „Unkostenbeitrag“. Dies ist selbst für die ärmsten rentabel, wenn wir ihnen auch nur ein oder zwei „Essens-Pakete“ (1kg Reis und 250mg Linsen) abgeben. Hier verfügen wir wenigstens über Strom, so dass die Ventilatoren an der Decke die drückende Hitze etwas erträglicher machen. Zwischendurch fällt aber der Strom auch mal aus und im hinteren Teil des Raumes, wo ich jeweils mein Konsultationstischen habe, schwappt je nach Wind draussen immer wieder der Duft der unmittelbar dahinter liegenden Latrine zu mir an den Tisch. Das Gespräch mit den Patienten führen die Übersetzer, da diese Bevölkerungsschicht kein Englisch spricht. Privatsphäre gibt es wenig – beide Ärzte sind im gleichen Raum. Das Patientengut sind aber vor allem Frauen und Kinder. Erstere zeigen nackte Haut nur an Armen und Beinen, schon Hautprobleme am Rücken oder Bauch wollen oftmals nicht gezeigt werden. Die häufigsten Beschwerden sind „cold, cough and fever“ (also eine einfache Erkältung), „all over body pain“, „wässriger Durchfall“ und „Hautprobleme“. Die „Ganzkörperschmerzen“ haben grob zwei Hintergründe: die 12-stündige Arbeit an der Nähmaschine (für 30-40€ im Monat!! Ja, so billig werden unsere Klamotten hergestellt… gut, tut sich diesbezüglich jetzt endlich etwas, nur schade, mussten hierzu zuerst Gebäude einstürzen…) oder als Steinhauerin. Eine kurze Massage der Nackenmuskulatur wirkt meist schon innert Sekunden. Ganz generell hilft praktisch alles, was wir machen – und dies praktisch immer nebenwirkungsfrei! Noch kein Patient hat über Nebenwirkungen von sich aus geklagt, aber zugegeben, sie kriegen auch keine Beipackzettel….(sofern sie die überhaupt lesen könnten). Auch halten 10 Tabletten Paracetamol meist für 2 Monate! Die Dosierung liegt auch weit unterhalb dem, was wir zuhause verschreiben – aber in Anbetracht der unterernährten Patienten hier, scheint dies zwar wieder fast zu stimmen…die meisten erwachsenen Patienten wiegen zwischen 40 und 45kg! Die 60-65kg schweren wirken hier schon fast als übergewichtig! Da ist es wirklich nicht verwunderlich, dass auch Ibuprofen in der Kinderdosierung ganz gut wirkt. Als 2. Schmerz-Grund sehen wir häufig von ihren (noch) Ehemännern geschlagene Frauen… hier sind wir ziemlich machtlos. Viele Männer arbeiten als Rikscha-Fahrer und verdienen 1-2€/d, müssen aber ca. 0.75€ davon an den Rikscha-Besitzer abgeben…dies scheint ein grosses Frustpotential zu bergen. Bei Durchfall ist immer an Würmer zu denken. Entwurmungskuren gehören daher zum Standard-Programm. Auch die Hauterkrankungen gehen wir ziemlich schematisch-standardisiert an, nicht selten finden wir aber Skabies. Bei den hustenden Leuten ist unsere Hauptaufgabe, keine Lungenentzündung und vor allem keine Tuberkulose zu verpassen! Viele Patienten haben aufgrund der ärmlichen Bedingungen (Dreck/Staub/Smog/Luftverschmutzung/offene Feuerstelle etc.) bereits vorgeschädigte Lungen. Unterernährte Kinder nehmen wir auf unsere „Ernährungsstation“ auf. Aktuell haben wir zwei kleine Kinder da. Das eine anderthalb jährig und 5.1kg leicht! Das andere jährig und 6.2kg bei Aufnahme! Die Gründe sind meist finanziell in Kombination mit familiärer Überforderung (eben z.B. vom Ehemann geschlagen bzw. dieser hat eine neue Freundin und sorgt nicht mehr für den Unterhalt o.ä.). Es ist wirklich sehr dankbar zu sehen, wie sich die Mütter wohl fühlen bei uns und die Kinder täglich langsam zunehmen und wieder aktiver werden dank unserer Hilfe.
Am Montag waren wir morgens in Gandaria, einem Slum im Süden, der direkt an der Bahnlinie liegt. Spannend hier ist, dass die Slums irgendwo mitten in der Stadt liegen. Auf kleinster Fläche wohnen hier hunderte von Leuten. In Gandaria links und rechts der Gleise. Auch haben „wir“ dort eine Schule für ca. 600 Slumkinder. Zur Schule kommen übrigens alle in Uniformen, welche zur Verfügung gestellt werden oder teilweise hier in der Manda-Schule im Nähkurs hergestellt werden. Auch zur Arztkonsultation erscheinen praktisch alle Leute gut gekleidet! Man sieht ihnen die Armut oft erst auf den zweiten Blick an, denn viele leihen sich schönere bzw. weniger kaputte Kleider von Freunden aus, damit sie „eine gute Falle“ machen. Zu sehen, wie die Leute in Gandaria leben, hat mich sehr getroffen. Auf engstem Raum werden hier ein paar Bambus-, Lehm- oder teilweise auch Betonwände gebaut und ein Blechdach darüber befestigt. Die Kinder spielen auf und direkt neben den Bahngleisen. Etwa alle 30min fährt der Zug vorbei. Unser Konsultationsraum liegt vielleicht 20m davon entfernt in einem wiederum recht dunklen Raum und das Rattern des vorbeifahrenden Zuges unterbricht die Gespräche jeweils für kurze Zeit. Donnerstag hatte es geregnet, als wir zum 2. Mal dort waren. Bei Regen kommen praktisch keine Patienten, da sie wahrscheinlich anderer Probleme haben…vermutlich müssen sie ihr gesamtes Hab und Gut erst einmal sicher stellen und schauen, dass nicht zu viel Wasser in ihre Hütten dringt. Auch in unserem Behandlungsraum mussten wir die Tische so verschieben, dass wir einigermassen im Trockenen sassen – das Dach ist nicht ganz dicht. Auch die Geschäfte in den Strassen waren praktisch alle geschlossen. Die Strassen kurz vor dem Überfluten und aus den „Strassenschächten“ kam Kanalisationswasser raus, statt dass das Regenwasser aufgenommen werden konnte. Die grüne Wiese nördlich unserer Wohnung war dann auch überflutet und mittlerweile wieder etwas trockener – zumindest von weitem.
Am Dienstag wäre der Slum in „Korail“ dran gewesen. Aufgrund des letzen Streiktages konnten wir nicht dahin – die Fahrt führt durch die ganze Stadt, weshalb wir auch nur einmal pro Woche dorthin fahren. Bin gespannt auf nächste Woche, dies soll ein sehr armer Stadtteil sein, wo wir mit dem Boot auf die Halbinsel direkt gegenüber des Diplomatenviertels fahren… Wir hatten also einen Tag frei. Am Morgen besuchte ich die Schule hier in Manda und gemeinsam mit einer deutschen Abiturientin, die hier als Freiwillige arbeitet, instruierten wir die Schüler im Zähneputzen. Eine deutsche (Zahn-?)Ärztin hinterliess ein grosses Modell-Gebiss mit Zahnbürste, so dass wir von Klasse zu Klasse gingen und die Zahnputzgewohnheiten erfragten und Instruktionen über dieses so einfache aber hier äusserst wichtige Gesundheitsproblem gaben. Erfreulicherweise besitzen praktisch alle Kinder eine Zahnbürste – oftmals wird aber auch der Zeigefinger benutzt und mit einer groben Paste die Zähe gefegt… Es war ein schönes Erlebnis, auch den Schulkindern etwas mitzugeben. Die freuen sich sowieso jeden Morgen, wenn sie uns „hello“ oder „good morning“ sagen können bzw. unsere Hände schütteln dürfen. Am Nachmittag gingen wir zum „Park“ am Ende der Manda-Road. Dort erstreckt sich eine riesige Grünanlage wo eine „Green Project Town“ gebaut werden soll. Eine Musterschule steht da schon und etliche „Schrebergärten“ in diesem endlos gross wirkenden Flecken grün. 15min weg von hier und schon war einfach nur Ruhe und Stille mit Vogelgezwitscher und dem Rauschen der Bäume zu hören – eine richtige Oase und so nah! Am Freitag (Sonntag) waren all die Grünflächen von Kindern und Jugendlichen besetzt und es wurde auf jedem freien Fleck „Kricket“ gespielt – was seit ca. 20 Jahren der Nationalsport hier ist; da war dann plötzlich wenig mit Ruhe und Stille im Park... Kricket spielen die Kinder hier in jeder freien Minute und überall. Abends spielt sich viel vom örtlichen Leben auf den Dächern ab – selbst hier wird teilweise Kricket gespielt. Die Mandastrasse ist eine sehr geschäftige Strasse. Aktuell sind sie dabei, die Strasse zu verbreitern und eine neue „Kanalisation“ zu konstruieren. Die Rohre fliessen dann bei der Brücke vorne einfach in den Fluss, aber dies ist ein anderes Thema… um die Strasse zu verbreitern wurden etliche Häuser stirnseitig zur Hälfte abgerissen – trotzdem werden weiterhin Waren verkauft, einfach auf kleinerer Fläche… Ein buntes Treiben herrscht hier jeden Tag und wir schlendern jeden Abend durch die Strassen und gehen dann irgendwo in einem dieser „Strassenrestaurants“ essen. Was wir genau essen, wissen wir nie so genau, aber es war bisher stets sehr lecker und magenverträglich! Meist sind es mit einer Paste aus Ei, Gewürzen, Peperonicini, Zwiebeln und Knoblauch gefüllte und frittierte Teigballen, die 2-5 Rappen pro Stück kosten. Gegessen wird grundsätzlich mit allen 5 Fingern der rechten („sauberen“) Hand! Am Donnerstag lud ein Lehrer alle Lehrer und das medizinische Team zum Essen hier in der Schule ein. Der Reis wird mit allen Fingern so lange geknetet und mit den Beilagen vermischt, bis er eine festere Konsistenz aufweist und dann wird der „Ballen“ von der Handinnenfläche aus mit dem Daumen nach vorne direkt in den Mund geschoben. Bei den Einheimischen geht das ganz schnell, ich brauchte etwas „Angewöhnungszeit“ und Christoph ass mit Messer und Gabel ;-) Am Abend schlenderten wir wiederum durch die Gassen und sahen bzw. hörten diese „Party“ nicht unweit von unserer Wohnung. 21:30 Uhr, wir wollten eigentlich noch etwas essen gehen und waren sehr hungrig. Da spähten wir in Richtung „Lärm“/Musik, als uns ein junger Bursche ansprach und einlud, hereinzukommen, sein Bruder hätte am Vortag geheiratet und heute gehe die Party weiter. Wir wollten eigentlich nur einen kurzen Blick rein werfen und blieben dann bis nach Mitternacht dort „gefangen“… Der Vater des Bräutigams sass direkt neben uns. Wir waren beinahe so begehrt wie der Bräutigam selbst. Auf der Bühne vorne sass der Bräutigam und liess irgendwelche bengalisch-muslimische Hochzeitsrituale über sich ergehen, die wir ehrlich gesagt nicht verstanden und er selber strahlte jetzt nicht eine übermässige Freude aus. Kurz vorm verhungern wurde uns auch ein gut gefüllter Teller Reis und ein Fläschchen Mineralwasser serviert ;-) statt Wasser zum Händewaschen befahl der Bräutigamvater einem Jungen, rasch frische Kleenex für uns zu kaufen, damit wir die Hände sauber abputzen konnten. Gegen Mitternacht kamen endlich die Tänzer, die Hauptattraktion des Abends, die wir keinesfalls verpassen durften. Naja…die waren schon ganz gut, aber eigentlich war der Anlass einfach laute Musik und ein Verwandtschaftstreffen – aber spannend und irgendwie auch lustig, dies einmal miterlebt zu haben (aber einmal reicht!).
Wenn ich nachts auf unserer Terrasse stehe, sehe ich maximal 2km weit (grob geschätzt)! An einen Sternenhimmel zu denken, ist hier völlig fehl am Platz – ich freue mich schon, wenn ich den Mond irgendwo durchschimmern sehe – natürlich kein Vergleich zur Bergwelt in Nepal... Nein, nicht die Wolken sind schuld, aber die Luftverschmutzung der ca. 15-Millionenstadt zeigt sich nachts besonders gut! Die Nächte sind auch entsprechend schwül. Ich bin sehr dankbar um den Ventilator und das Notstromaggregat bei uns in der Wohnung! Letzteres ist eigentlich jeden Abend mindestens für kurze Zeit in Betrieb (der Wechsel erfolgt automatisch!) – Stromausfälle gehören hier zur Tages- bzw. Nachtordnung. Die Schlafqualität leidet trotzdem unter der Hitze und wenn man dann morgens um halb 5 noch vom Ruf des Muezzins geweckt wird, ist dies der Schlafhygiene nicht unbedingt förderlich. Auch wohnen dutzende von Fliegen in unserer Wohnung. Ventilator und Moskitonetz überm Bett halten diese aber wenigstens nachts fern. Als weitere „Haustiere“ besuchte uns kürzlich eine einzige Kakerlake – die hat aber die Toilettenspülung nicht überlebt… aber keine Mäuse oder Ratten – immerhin!
Am Mittwochvormittag fuhren wir nach „Khilgoan II“, einem anderen Slum direkt an der Bahnlinie. Die Hütten sind alle direkt an die Mauer, welche die Hauptstrasse von der Bahnlinie trennt gebaut. Unser Behandlungsraum wird ebenfalls von dieser Mauer begrenzt, ist etwa 2m breit und 3m weiter draussen führt die Bahnschiene vorbei. Etwa alle 20min fuhr auch ein Zug vorbei. Hier gibt es keinen Strom. Es war erdrückend heiss und ich fragte mich, wie dies wohl während der Regenzeit ist, denn die einzige geschlossene und dichte Wand ist diese Betonmauer. Und Regen ist hier eigentlich immer mit recht viel Wind verbunden. Die Lebensbedingungen der Leute hier sind der absolute Wahnsinn! Links der Bahnlinie entlang arbeiten viele Frauen als Steinhauerinnen (sie verkleinern Backsteine, die dann dem Beton beigemischt werden) auf und neben der Strasse. Dort gibt es auch eine „Wasserstelle“ wo geduscht wird. Wahrscheinlich wird dieses Wasser auch gekocht und getrunken, was sicherlich nicht zu empfehlen ist, aber es gibt keine andere Möglichkeit und ist sicherlich sauberer als die Brühe vom dahinter liegenden „Fluss“. Auf der rechten Seite stehen die Hütten zwischen Bahnlinie und Mauer. Es herrscht ein reges Treiben entlang der Bahnschienen. Ein Blick zwischen die Hütten spricht aber Bände. Armut pur. Hier leben die Leute echt unter ärmsten Bedingungen; die haben nichts, aber auch wirklich nichts. Aber auch hier waren die Leute extrem dankbar, was die Arbeit wirklich sehr angenehm macht.
Mittwochabend sind wir jeweils bei den Priestern des „Notre Dame College“ eingeladen. 1989 als das Projekt hier gegründet wurde, geschah dies unter missionarischer Hilfe der Notre-Dame-Vereinigung. Einige Jahre später wurde die Organisation unabhängig, der Kontakt zu Notre-Dame blieb aber bis heute bestehen. Ein Schulabschluss bei Notre-Dame ist wohl das angesehenste in ganz Bangladesch! Uns wurde die Waisenkinder-Station gezeigt, wo stets 60 Knaben aus dem ganzen Lande wohnen, Essen, Kleider und eine Schulbildung erhalten. Auch besuchten wir kurz einige Klassen der Abendschule. Um 19 Uhr gab’s Apéro mit einem kühlen BIER! Von den 8 Priestern waren dann aber nur 6 anwesend zum anschliessenden Essen um 20 Uhr. In der Zwischenzeit beantworteten wir Fragen zur Schweiz und erfuhren einiges über Notre Dame sowie die einzelnen „Väter“. Sie alle unterrichten verschiedene Fächer an der Schule. Auch sahen wir uns das Kricket-Spiel am TV an, was wohl zu ihrer Lieblingsbeschäftigung gehört… Vater Timm ist der einzige Ausländer (Amerikaner) und kam 1952 nach Dhaka – er ist jetzt 90 jährig und erzählt Geschichten von früher bis ins kleinste Detail. Er arbeitete z.B. für Caritas Schweiz in den 70er Jahren. 
Ich könnte auch noch viele Anekdoten berichten…die Erlebnisse und Eindrücke sind so vielfältig und vielseitig. Ich spare noch einige Geschichten für später auf… bis dann.
Allah hafez!

Samstag, 11. Mai 2013

Bangladesch - 1. Eindrücke aus Dhaka!

Ich bin gerade mal knappe 24 Stunden hier in Dhaka und es kommt mir schon wie einige Tage vor!

Die Reise von Kathmandu nach Dhaka gestaltete sich schwieriger als erwartet: ich hatte den Flug verpasst! Also eigentlich ist das nicht korrekt, denn irgendwie flog die Maschine einfach früher als auf meinem Ticket stand und ich wusste nichts davon…nach 5h warten am seeeeehr langweiligen Flughafen in Kathmandu, konnte ich dann noch einen „emergency“-Sitzplatz bei United Airways ergattern und kam dann halt mit 4h verspätung in Dhaka an – den Notpass habe ich immer noch nicht gebraucht... Abgeholt wurde ich von unserem Projektmanager vor Ort: Babul. Seine freundliche, aufgestellte & fröhliche Art liess mich die letzten Stunden in Kathmandu und den Frust über Biman Airways vergessen. Auch liess er mich wissen, dass ich der 6. Schweizer „German Doctor“ hier im Projekt sei – und das in 24 Jahren! Aktuell sei aber noch ein schweizer Arzt hier: Premiere (es sind immer 2 Ärzte vor Ort)! Und das Beste daran: Christoph ist Hausarzt in Wil! :-)

Nach rund 45min Fahrt wurde ich gestern Abend herzlich an der Manda-Road empfangen und schlief trotz der drückenden Hitze sehr gut – Ventilator sei Dank. Im Übrigen war ich positiv überrascht von unserer Wohnung! Das Zimmer geräumig, Ventilatoren überall, eine Dusche welche die WC-Schüssel nicht überflutet, eine Terrasse mit sogar Sicht auf einen Flecken „Grün“, Strom mit Notstromaggregat, Kühlschrank, Licht…so gut war mein Hotelzimmer in Nepal nicht ausgerüstet ;-)

Heute früh wurde mir unser „Wohngebäude“ ausführlich gezeigt: im 6. Stock ist unsere 4.5-Zimmerwohnung und darüber die Dachterrasse. Lucky kocht, putzt und wäscht für uns. Das Mittagessen war nicht schlecht, jedoch sei die Diversität nicht sehr hoch…ich werde es sehen. Die „Ärzte für die 3. Welt“ arbeiten hier in Dhaka mit einer v.a. von Deutschland und Österreich "gesponsorten" Schule der „Glory Friendship Social Welfare Organisation“ zusammen. Diese bieten Kindern aus ärmsten Verhältnissen eine Schulbildung und täglich eine warme Mahlzeit. Im 3. – 5. Stock des Gebäudes sind also Klassenzimmer sowie das Esszimmer mit Küche, wo für alle (über 1100 Kinder) gekocht wird. Auch erhalten die Kinder eine Grundausbildung in „Skills“, also praktischen Fähigkeiten (v.a. Nähen, Tanzen und Haare schneiden). Babul stellte uns allen Kindern vor und diese wiederum zeigten uns, was sie gelernt haben, sei es, indem sie uns mit diesem supersüssen bangladeschi-Kindergrinsen auf Englisch begrüssten, uns zu einem traditionellen Lied vortanzten oder ihre Näh- und Stickereikünste zeigten (was wirklich beeindruckend ist)! Nein, DAS ist keine Kinderarbeit im eigentlichen Sinne! Hier will man den Kindern lediglich Fähigkeiten vermitteln, welche ihnen später einen besseren Profit einbringen können. Ein blosser Schulabschluss bringt niemandem etwas – eine Berufslehre gibt es hier nicht und eine Uni kostet Geld. Im 2. Stock ist unsere Ernährungsstation, wo aktuell gerade ein kleiner Junge „aufgepäppelt“ wurde und morgen nach Hause kann (http://aerzte3weltev.wordpress.com/). Daneben sind zwei Behandlungszimmer für die Nachmittage hier in Manda. Das Hochparterre (1. Stock) ist quasi der Pausenplatz für die Schüler.

Nach dem Mittag gingen Christoph und ich in die Stadt. Die rund 20minütige Rikscha-Fahrt kostete 1€. Es herrscht hier ein ziemliches Verkehrschaos, jedoch erstaunlicherweise weniger als ich gedacht hatte. Autos sieht man kaum! LKW’s dürfen tagsüber gar nicht fahren, nur Busse und: RIKSCHAS (1-Gänger übrigens)! Ja, die Strassen hier werden von Rikschas und mit Gas-betriebenen 3-Rad-Taxis blockiert! Sowie natürlich Fussgänger. Wenn mal ein Auto irgendwo in eine Gasse fährt, verstopft dies die ganze Strasse komplett – Linksverkehr hin oder her.
Wir gönnten uns eine stündige Bootsfahrt auf dem Buriganga-Fluss, der durch die Stadt fliesst. Dessen Farbe ist schwarz und es leben mit an 100%-iger Sicherheit keine Fische in diesem Fluss! An Nahrungsressourcen würde es zwar nicht fehlen…aber halt auch viele toxische Stoffe schwimmen da rum. Angeblich gibt es in ganz Bangladesch keine Kläranlagen. Müll liegt überall rum – ob im Wasser, auf der Strasse oder in einem Hinterhof… Aber was alles über diesen Fluss ins Land hinein transportiert wird… wir sahen etliche schwerst-beladene Schiffe. V.a. Gemüse und Früchte kamen in gewaltigen Mengen an (der Rest war meist gut verpackt). Wir besichtigen dann den „Pinken Palast“, das wohl schönste Gebäude in Dhaka und schlenderten einige Stunden durch die Strassen und Gassen des alten Dhaka. Die Stadt ist einfach zu klein…ich habe noch nie sooooo viele Menschen auf einem Haufen gesehen und auch noch nie eine solche gewaltige Menge an STOFF!! Wir haben sicherlich x-Tonnen Stoff betrachtet. Die Strassen sind teilweise sehr eng und schmal, aber auf die Rikschas kann man alles laden und ansonsten trägt man die Ware auf dem Kopf. Christoph und ich waren aber nahezu so oft Fotoobjekt wie die Einheimischen auch – die meisten haben wohl noch nie einen Ausländer gesehen. Viele wollten auch, dass wir ein Foto von ihnen machen und sie waren dann hoch erfreut, wenn wir ihnen das Bild auch unmittelbar danach zeigen konnten. Auch gönnten wir uns etwas „Strassen-Essen“, was äusserst lecker war (obwohl wir nicht genau wusste, was wir da assen) und für €1.35 (für beide, wohlgemerkt; inkl. 1.5L Mineralwasser)!

Hier ist echt was los in den Strassen! Es war einfach lustig, dem ganzen Treiben zuzuschauen und selber bestaunt zu werden ;-) Armut sieht man wenig; das spielt sich wohl eher hinter den Mauern ab und werde ich in den nächsten Wochen sicherlich genügend erfahren. Wir wurden in der Stadt von etlichen Dutzend Leuten auf Englisch angesprochen, die wissen wollten woher wir sind und natürlich wusste keiner, wo „Switzerland“ liegt und eine längere Antwort war meist aufgrund der sprachlichen Hindernisse auch nicht möglich. Frauen sieht man kaum und wenn, dann sind etwa die Hälfte verschleiert. Die Kinder sind aber wohl das Herz des Landes – mit ihrem unglaublichen Lächeln zauberten sie auch mir heute mehrmals ein Lach-Runzeln ins Gesicht.

Für Morgen sind wieder Streiks („hartal“) angesagt, was häufig zu Krawallen führe. Babul wird morgen früh entscheiden, ob und wie wir zur Arbeit in die Slums fahren: „Safety first“.

Dies mal ein paar erste Eindrücke aus Dhaka – mehr über die Arbeit hier werde ich sicherlich bald einmal berichten.

Donnerstag, 9. Mai 2013

Nepal


Namaste!
Seit 2.5 Wochen bin ich nun in Nepal. Der Start am Flughafen Zürich wurde mir von den Qatar-Airways-Mitarbeitern bereits etwas erschwert, da mein Pass auf der ersten Seite eingerissen ist und somit das Dokument beschädigt sei, weshalb die Einreise in Nepal nicht garantiert wäre… Den kurzerhand erstellten Not-Pass hat bisher jedoch noch niemanden interessiert – der alte Pass wurde problemlos akzeptiert…

Die Ankunft in Kathmandu war regnerisch-kühl und die Warmwasserdusche blieb aufgrund der fehlenden Sonneneinstrahlung am ersten Tag ebenfalls aus. Der Regen hatte aber zum Vorteil, dass die Luft dafür angenehmer war als in den Folgetagen. Im Hotel traf ich beim Frühstück dann drei Kanadier, die ebenfalls am Folgetag zur Wanderung durch das Helambu-Tal zum Gosainkundsee wollten. Nach kurzer Diskussion entschieden wir uns dann, die 8-10 tägige Wanderung gemeinsam und ohne Führer anzugehen. Die Tour begann eine gute Stunde nordöstlich von Kathmandu in Sundarijal. Nach 4-5h Wanderung durch den 1. Nationalpark erreichten wir Chisapani auf rund 2100m, wo wir unsere erste Nacht in einem dieser „Tee-Häuser“ verbrachten. Aufgrund der vielen wild wachsenden Hanfpflanzen (bis auf rund 2000m) glaubten wir zuerst, dies sei der Grund für die friedvolle Ruhe, aber nur eine Autostunden von Kathmandu entfernt ist alles viel ruhiger & gemütlicher - die Uhr scheint vielerorts einfach stehen geblieben zu sein. Die Felder werden hier noch mit Yaks gepflügt und alles andere ist reine Handarbeit. Von entgegenkommenden Touristen hatten wir erfahren, dass man jetzt in der Zwischensaison überall nach „Pay for food, sleep for free“ fragen sollten. Das war dann auch nie ein Problem und die ohnehin schon billigen Übernachtungspreise (Fr. 2.50/Person) wurden uns jeweils erlassen, solange wir alle Mahlzeiten im entsprechenden „Hotel“ einnahmen.  Die Warmwasser-Dusche bestand dann aus einem grossen Topf heissem Wasser und einem kleinen Becher – das war aber erfrischend und angenehm und wir wussten, dass dies möglicherweise die letzte Dusche für die kommenden Tage war. Am ersten Tag trafen wir auch Paolo, ein 55-jähriger Italiener, welcher alleine mit seinem Träger-Führer unterwegs war und die folgenden 9 Tagen die gleiche Strecke lief wie wir. Von Chisapani ging’s dann die folgenden 3 Tage steht’s aufwärts, vorbei an dutzenden kleinen Tälern mit Terrassen-Hängen und durch wunderschöne märchenhaft-blühende Rhododendron-Wälder – die Baumgrenze liegt auf ca. 3700m. Die Nächte wurden immer kälter und wir waren jeweils froh um den Holzofen im „Esszimmer/Aufenthaltsraum“, welcher zwar teilweise zu einem unheimlichen Nebel im Raum führte, aber angenehme Wärme verstrahlte. Wir waren also täglich 5-9h unterwegs, was mit guten 10kg auf dem Buckel manchmal recht anstrengend war. Täglich gings auf und ab, wir durchquerten etliche kleinere Täler und überquerten mehrere kleine Pässe. Auch fanden wir immer ein Tee-Haus, wo wir für ein paar Franken ein leckeres Mittagessen fanden. Das Essen wurde zwar immer etwas „karger“ bezüglich der Gemüsevielfalt, aber nicht schlechter! Nein, gegessen hatten wir fantastisch! Eine frisch zubereitete Knoblauch-Suppe und anschliessend Momos oder ein Dal Bhat und dazu einen Masala-Tee trinken…es gibt kaum was Besseres um sich hier aufzuwärmen! Und danach mit Josh noch ein Backgammon spielen – perfekt ;-) Nach einer kühlen Nacht in Phedi auf 3700m, ging’s dann in einem rund vierstündigen Aufstieg über den nur noch leicht Schnee bedeckten Laurabina-Pass (4610m). Grace’s Atemzüge auf Passhöhe waren so unwillkürlich und rasch und es blies uns ein eisiger Wind entgegen, so dass ich einen zügigen Abstieg zum Gosainkund-See auf rund 4300m anstrebte, wo wir dann einen Ruhetag einlegten. Der Gosainkund-See ist der heiligste See in Nepal und wird jeweils im August zu einem Pilgerort für viele Hinduisten. Gott Shiva soll hier hausen. Die Nächte am See waren klar mit wunderschönem Sternenhimmel, aber sau-kalt. Den Ruhetag verbrachten wir damit, auf den nahegelegenen „Hügel“ auf rund 4800m zu wandern und von dort die Aussicht ins Langtang-Tal und den Blick auf die 6- & 7000er zu geniessen! Fantastisch! Auch hatten wir Wetterglück, so dass der Nachmittag am See problemlos im T-Shirt verbracht werden konnte.

Am Folgetag, unserem 7. Trekkingtag, begann der Abstieg. Der Panorama-Blick ins Langtang-Tal blieb uns erhalten und wir konnten uns kaum satt genug daran sehen. Etliche Stupas mit Gebetsfahnen säumten den Weg und als die Baumgrenze wieder erreicht war, schlenderten wir auch wieder durch die Rhododendronen-Wälder bis nach Sin Gumpa, wo eine der besten Käsereien des Landes steht. Natürlich kauften wir uns gleich ein halbes Kilo Yak-Käse und verschlangen den sehr milden Hartkäse unverzüglich – verglichen mit einem Appenzellerkäse bot dieser Käse aber nicht allzu viel! Das Klima war auf dieser Seite des Passes deutlich milder und das kleine Bergdörfchen auf 3300m besass eine ziemlich gute Infrastruktur, so dass wir endlich endlich mal wieder warm duschen konnten! Solarzellen sei Dank! Im WC stand sogar eine richtige WC-Schüssel – ein MEGA-Highlight! Da wir auf unserer wunderschönen, aber etwas veralteten und doch sehr ungenauen Wanderkarte eine „Thermalquelle“ entdeckten, führte unser Weg weiter runter nicht direkt nach Dhunche wie urspünglich geplant sondern nach Shyabru Besi. Dort angekommen übernachteten wir im Hot Spring Hotel. Die Hot springs waren dann aber eine Warmwasserpfütze, wo sich die einheimischen (halb-)nackt schrubbten und wuschen…wir verzichteten daher auf das „Bad“… danach ging’s per Jeep zurück nach Kathmandu. Die Strecke zwischen Dhunche und Kathmandu ist angeblich die schlechtest ausgebaute Strasse in Nepal und ich würde dem zustimmen – in ganz Lateinamerika habe ich nirgends eine solche Strasse angetroffen (ja Oli, auch die Strasse zwischen Medellin und Turbo war deutlich besser!)! Wirklich katastrophal, aber wir haben’s überlebt und nur 5h für die rund 130km benötigt.

Zurück im Hotel, organisierten wir uns fürs Wochenende einen Ausflug in den Chitwan-Nationalpark. Leider kann man seit letztem Sommer nicht mehr im Park selber Übernachten – was auch noch in keinem Reiseführer steht. Die hoteleigene Agentur machte uns aber ein gutes Angebot, so dass wir nach den 9 Trekking-Tagen und einem weiteren Sightseeing-Tag in Kathmandu gleich weiter in den Dschungel fuhren. Wir waren die einzigen vier Gäste und wir liessen uns auch eine individuelle Tour zusammenstellen. Gleich nach der Ankunft ging’s zum Elefanten-Baden mit anschliessendem –Reiten. Schon noch lustig, auf so einem Elefanten rumzustehen und auf ihm liegend das kühlende Flusswasser geniessen. Der Ausritt diente dann in erster Linie dazu, Nashörner zu finden! Dies ist die sicherste Methode – auf einem Elefanten. Der Elefanten-Treiber führte uns mitten ins Dickicht. Immer wieder gab er dem Tier den Befehl, irgendwelche im Weg stehende Bäume und Sträucher wortwörtlich niederzustampfen – was der gut erzogene Elefant natürlich auch tat. Bald stellten sich dann auch die Rhinos vor die Linse! Meistens Mutter mit Kind. Sehr beeindruckend! Auch einige Wildschweine und eine Horde Rehe und Hirsche sahen wir an uns vorbei ziehen. Voll von Mücken, Käfern und Spinnennetzen waren wir dann einmal mehr sehr froh über eine Dusche – diesmal musste sie nicht einmal warm sein. Für den nächsten Tag hatten wir uns eine Dschungelwanderung gewünscht. Nach einer kurzen Bootsfahrt in den Park hinein, begann dann unsere 7-stündige Dschungeltour! Regel Nr. 1: Falls Nashörner angreifen, auf einen Baum klettern oder im Zick-Zack davon und um einen Baum rennen und immer wieder ein Kleidungsstück abwerfen. Regel Nr. 2: Lippenbär: davon rennen und sicherlich nicht auf einen Baum. Regel Nr. 3: Tiger: Ruhe bewahren, Augenkontakt meiden und langsam rückwärts gehen; Tiger greifen in der Regel von Hinten an. Wir schlenderten dann los. Anfangs noch auf Pfaden und je länger wir unterwegs waren, desto unwegsamer wurde der „Weg“. Mal durch 2-3m hohes Gras, mal durch dickstes Dickicht. Rehe und Hirsche sowie Wildschweine sahen wir einige und dann plötzlich auch Nashörner beim Schlammbad. Die beiden Führer wurden jeweils etwas „nervös“ und waren immer sehr erleichtert, wenn sich die hörnigen Riesen von uns abwandten. Mittagessen war ein Picknick irgendwo im Wald. Gegen Nachmittag trafen wir dann wieder auf ein Nashorn und der eine Führer rannte förmlich auf uns zu und rief „lauft“! Sein Gesichtsausdruck sprach Bände! Wir waren wie versteinert und der andere Führer zerrte uns dann Richtung Gebüsch. Das Nashorn kehrte uns aber den Rücken, so dass es quasi ein „Fehlalarm“ war, der uns aber einen gewaltigen Schrecken einjagte. 30m Sicherheitsabstand zu diesen Tieren ist wohl das Minimum! Am späteren Nachmittag – wir liefen alle weiterhin schön in einer Reihe – übernahm dann plötzlich der eine Führer das Schlusslicht. Der einzige Grund konnte also nur sein, dass wir nun im Tiger-Revier waren! Leider wollte er sich uns nicht zeigen. Auch zeigte uns der Lippenbär nur seine Fussabdrücke (was vielleicht auch besser so war). Nach einer Bird-Watching-Tour gings dann wieder zurück auf der ebenfalls nicht sehr gut ausgebauten Strasse nach Kathmandu.

Hier besuchten wir in den letzten drei Tagen noch einige schöne Stadtviertel, welche wohl viele Trekking-Touristen auslassen: Patan & Bhaktapur sowie Boudhanath, die grösste Stupa des Landes (40m hoch). Auch dem „Affentempel“ (Swayambhunath) und etlichen weiteren kleineren Tempeln, Schreinen und Stupas statteten wir einen Besuch ab. Affen gibt’s hier nicht nur beim Affentempel (diese dort sind aber besonders frech). Manchmal trifft man ein Äffchen einfach so in der Stadt…auch Kühe und Ziegen versperren einem oft den Weg durch die Gassen. An gewissen Orten auf der Ringstrasse grasen diese Tiere auch auf dem „Mittelstreifen“. Kathmandu ist wirklich eine sehr spezielle Stadt. Sehr laut, stinkig, staubig und hektisch. Auch kann man hier alles kaufen – insbesondere Trekking-Ausrüstung. Von gefälschten Rohner-Socken über Raichle-Wanderschuhe bis zur Gore-Tex-Mammut-Jacke – oft jedoch mit einer Kopie der Originalverpackung J

Das Essen hier ist fabelhaft! Abgenommen habe ich mit Sicherheit nicht! Ob Dal Bhat, Chappati, gedämpfte Momos, Pakodas, eine Knoblauchsuppe oder sonst eines dieser super-leckeren Menüs – das Essen hier ist einfach SUPER!

Ueli Steck habe ich leider nicht angetroffen. Ich frage mich aber, was er angestellt hat, dass diese so überaus liebevollen Nepalesen in angeblich angegriffen haben sollen.

Morgen Nachmittag fliege ich dann nach Dhaka, Bangladesch und ab Sonntag beginnt das Arbeiten dort, worauf ich mich jetzt sehr freue. Bangladesch war ja in den letzten Tagen oft genug in den Medien, so dass alle wissen müssten, wo das liegt ;-) ich bin gespannt auf die Lage vor Ort und melde mich dann einmal.